Demenz hat das Potenzial, das Gesundheitssystem auszuhebeln

Politik & Forschung

Immer mehr Menschen und deren Angehörige sind mit der Diagnose Demenz konfrontiert und eines ist klar: Der Bedarf an qualifizierter Ausbildung steigt, wie nun auch MAS Alzheimerhilfe – MAS steht für Motivieren, Aktivieren und Stärken – und Donau-Universität Krems bestätigen.

Alzheimer in Kultur und Medien

Aktuell laufen zwei Alzheimer-Filme im Kino: „Still Alice“, mit der Oscar-prämierten Julianne Moore in der Hauptrolle und „Honig im Kopf“ von Til Schweiger. Doch warum erlangt das Thema immer größere Popularität? Erkranken immer mehr Menschen an der Krankheit oder gab es die Diagnose auch schon früher?

Klar ist, dass die Diagnose einfach aufgrund der steigenden Lebenserwartung immer häufiger gestellt wird. Doch eine der gewaltigsten Beschreibungen des geistigen Verdämmerns verdanken wir bereits William Shakespeare und seinem König Lear. Es spricht vieles dafür, den tragischen König Lear als eine der ersten dementen Figuren der Literaturgeschichte anzusehen.

Literatur und Film dienen wohl auch als Vorbereitung auf das, was wahrscheinlich kommen wird: der zunehmenden Auslöschung des Geistes einer breiten Bevölkerungsschicht. Alice Hollands Ausspruch in ‚Still Alice‘ „Ich wünschte, ich hätte Krebs“, macht wohl die Verzweiflung jener, die sich im Anfangsstadium der Krankheit befinden und noch realisieren, was mit Ihnen passiert, überdeutlich.

Ist Alzheimer das gleiche wie Demenz?

Für 60 Prozent der weltweit etwa 24 Millionen Demenzerkrankungen ist Alzheimer verantwortlich und oft werden die beiden Begriffe mehr oder weniger synonym verwendet, was aber nicht korrekt ist. Alzheimer, wie der Morbus Alzheimer bzw. die Alzheimer-Demenz landläufig bezeichnet wird, ist lediglich eine, wenn auch die häufigste Form der Demenzen.

Die Alzheimer-Demenz zählt zu den sogenannten primären Demenzen, bei denen die Ursache für das demenzielle Verhalten direkt auf Gehirnveränderungen zurückzuführen ist – im Gegensatz zu den sekundären Demenzen, die auf Mangelerscheinungen, Verletzungen oder Vergiftungen zurückzuführen sind. Im Gegensatz zu einigen sekundären Demenzen ist die Alzheimer-Demenz nach dem derzeitigen Kenntnisstand nicht reversibel.

Österreichischer Demenzbericht

Der eben veröffentlichte Österreichische Demenzbericht dokumentiert eindrucksvoll die Entwicklung von Demenzerkrankungen zu einer führenden Volkskrankheit. Mit dem Zuwachs an Menschen mit Demenz wird die Last für das Gesundheitssystem immer größer und der steigende Bedarf an ausgebildeten Fachkräften deutlich. Um dieser Herausforderung zu begegnen, bietet die MAS Alzheimerhilfe gemeinsam mit der Donau-Universität Krems den berufsbegleitenden Masterlehrgang „Demenzstudien“ an. Lehrgangsleiterin ist die klinische Psychologin Stefanie Auer, die nun als erste Professorin für Demenzforschung in Österreich berufen wurde.

„Demenz braucht bestens ausgebildete Fachkräfte und ein Umdenken im Versorgungssystem“, analysierten Michael Brainin, Leiter des Departments für Klinische Neurowissenschaften und Präventionsmedizin an der Donau-Universität Krems und Stefanie Auer, Universitätsprofessorin für Demenzforschung sowie wissenschaftliche Leiterin der MAS Alzheimerhilfe, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Wien. „Derzeit leiden in Österreich rund 130.000 Menschen an Demenz. Bis 2030 ist mit einer Verdoppelung der Krankheitsfälle zu rechnen“, so Auer. Dieses Bild zeichnet auch der Österreichische Demenzbericht 2014, der aktuell von Sozial- und Gesundheitsministerium veröffentlicht wurde.

Alzheimer kann Gesundheitssystem ruinieren

Vor dem Hintergrund des enormen Zuwachses an Demenz und der neuen internationalen Global Burden of Disease Studie 2013 (Entwicklung der Krankheitslast), wonach Alzheimer nach ischämischen Herzkrankheiten und Schlaganfällen bereits die dritthäufigste Todesursache in Österreich ist, wird der dringliche Handlungsbedarf klar. „Nicht Herzerkrankungen, sondern Schlaganfälle und Alzheimer sind die beiden vorrangigen Gesundheitsprobleme“, warnt Neurologe Brainin. „Die Belastungen für die Gesellschaft sind enorm. Demenzerkrankungen kosten europaweit 100 Milliarden Euro pro Jahr und werden unser Gesundheitssystem ruinieren, wenn nicht bereits vorhandene Lösungen verstärkt umgesetzt werden.“

Bedarf an qualifizierter Ausbildung steigt

Die Versorgung von Menschen mit Demenz in Österreich stellt Politik und Gesellschaft vor immer größere Herausforderungen. Auer: „Medikamentöse Therapien zur Heilung der Krankheit sind nicht in Sicht. Damit steigt der Bedarf an speziellen Betreuungskonzepten, die eine interdisziplinäre Herangehensweise erfordern.“ Dafür braucht es entsprechende Ausbildung.

Lehrgang der MAS Alzheimerhilfe & Donau-Universität Krems

Der große Bedarf an Fachkräften im Bereich des sozialen und medizinischen Managements wurde schon früh von der MAS Alzheimerhilfe erkannt. Neben anderen Angeboten der Aus- und Weiterbildung an der „MAS Alzheimerakademie“ wurde daher 2009 gemeinsam mit der Donau-Universität Krems der postgraduale Universitätslehrgang „Demenzstudien“ ins Leben gerufen. „Das Angebot ist in Österreich nach wie vor einzigartig und wird zunehmend national und international anerkannt“, so Lehrgangsleiterin Auer. „Das Wissen um Demenz ist eine Grundvoraussetzung, um optimale Behandlungskonzepte zu entwickeln.“

Der berufsbegleitende Masterlehrgang kann in zwei, vier oder sechs Semestern bis zum Master of Science absolviert werden und wendet sich an Personen in führenden, entscheidungstragenden, lehrenden und forschenden Positionen mit psychosozialem Grundberuf und angrenzenden Disziplinen (z.B. ÄrztInnen, JuristInnen, SachwalterInnen, PsychologInnen, PädagogInnen, SozialarbeiterInnen, LeiterInnen von Pflegeheimen, Sachwalterschaft, Menschen in der Forschung sowie der Lehre). Ziel der Ausbildung ist, reflektierte ExpertInnen auszubilden, die fähig sind, fachübergreifend in einem interdisziplinären Team zu arbeiten bzw. zu forschen. Durch den Austausch mit international führenden Experten verschiedener Universitäten und Organisationen können neueste wissenschaftliche Erkenntnisse laufend in die Ausbildung einfließen. Für den aktuellen Demenzstudien-Lehrgang, der am 5. Oktober 2015 beginnt, sind noch Plätze verfügbar.

Erste österreichische Professur für Demenzforschung etabliert

Als erste Universitätsprofessorin für Demenzforschung wurde nun Dr. Stefanie Auer in das Department für Klinische Neurowissenschaften und Präventionsmedizin der Donau-Universität Krems berufen. Die Psychologin gründete 2003 mit dem MAS-Team die Alzheimerakademie und legte so einen Grundstein für fundierte Ausbildungsoptionen in Österreich. „Ich freue mich, dass durch die Schaffung der Professur nun auch in Österreich die akademische Ausbildung auf dem Gebiet der Demenzforschung offizielle Anerkennung findet“, so Auer.

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