50.000 Corona-Studien und kein bisschen weise?

Politik & Forschung

Ein etwas polemischer Titel, keine Frage, dennoch könnte man schon diesen Eindruck gewinnen. Wie nie zuvor, sind Wissenschaft und Forschung weltweit mit großem Aufwand und hohen finanziellen Mitteln daran, mehr über den Aufbau und Wirkungsweise des Virus SARS-CoV-2 zu erfahren. Trotzdem scheint es im Bereich der Diagnostik und Prävention täglich mehr Fragen als Antworten zu geben. Doch stimmt dieser Eindruck?

Seit dem Auftreten der ersten Krankheitsfälle der damals noch unbekannten Lungenentzündung im Dezember 2019 ist die Studienzahl rund um das neue Coronavirus SARS-CoV-2 immens gewachsen. Parallel zur dramatischen Verbreitung der Virusinfektion rund um den Globus stieg auch die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen – erst zum Erreger selbst, schließlich zu Risikogruppen für die schwersten Verläufe und inzwischen zu möglichen Therapien und Impfstoffen.

Hohe Zahl an Studien- und Forschungs­ergebnissen

Die Entwicklung der Untersuchungen und ihre explosiv wachsende Zahl ist beeindruckend: Ende Januar 2020 fanden sich gerade einmal 27 Artikel, die erste Hinweise auf Übertragung von Mensch zu Mensch oder zwischen verschiedenen Spezies gaben, die vor der Möglichkeit einer Pandemie wegen der eventuellen transkontinentalen Weiterverbreitung über den Flugverkehr warnten und die das Spikeprotein des älteren SARS-Coronavirus als eine Chance für den Kampf gegen das neue Virus beschrieben.

Die elektronischen Einträge in der Datenbank Pubmed waren im Februar schon auf 454 Artikel angewachsen – zu einer Zeit, als man wachsam aus Europa auf die Entwicklung blickte und noch auf ein schnelles, glimpfliches Ende hoffte.

Explosiver Studienzuwachs parallel zur weltweiten Ausbreitung des neuen Coronavirus

Im März, als die Infektionszahlen in Europa jede Hoffnung auf ein schnelles Ende schwinden ließen, hatten Wissenschaftler die Zahl der Publikationen bereits verfünffacht. Man kannte bereits wichtigste Risikofaktoren, hatte einige Ansätze zur Behandlung und erste Konzepte zu möglichen Impfstoffen und konnte bereits ein breites Arsenal an Symptomen und Verläufen berichten, die Klinikern weltweit eine Möglichkeit gaben, sich rudimentär auf die kommende Welle vorzubereiten.

Nun sind wir in einer Phase der Pandemie angelangt, in der zwar weiter viel veröffentlicht, allerdings noch mehr erwartet wird. Derzeit sind 54500 Veröffentlichungen mit den Begriffen “SARS-CoV-2″ oder “COVID-19” in Pubmed eingetragen. Wie viel Forschung kann da noch kommen?

Unglücklicherweise ist dieses Virus ein sehr ergiebiger Gegner und dementsprechend nimmt die Forschung auch weiterhin zu, wenn auch weniger schnell als in den ersten Monaten.

Welche Fortschritte wurden bereits gemacht?

Auch wenn es in Zeiten erneut steigender Infektionszahlen weltweit nicht den Eindruck macht, so stehen wir heute längst nicht mehr dort, wo wir am Anfang der Pandemie gestanden sind.

Mediziner haben bereits einiges über wirksame Therapiemaßnahmen bei Covid-Erkrankungen gelernt, die Sterblichkeitsrate kann durch verbesserte Therapieschritte kontinuierlich gesenkt werden.

Gegen die Pandemie mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 werden nicht nur mit großem Nachdruck vorhandene Medikamente erprobt und neue erfunden, sondern natürlich auch Impfstoffe entwickelt.

Es gibt mittlerweile zahlreiche vielversprechende Forschungsgruppen, die die Entwicklung und Verbreitung eines wirksamen Impfstoffes für das Jahr 2021 sehr wahrscheinlich machen.

Der gebürtige Österreicher Florian Krammer, Professor für Mikrobiologie an der New Yorker Icahn School of Medicine at Mount Sinai, berichtet konkret von über 180 Impfstoffprojekten weltweit, von denen viele ernsthafte Kandidaten seien. 40 Impfstoffe seien aktuell in einer klinischen Prüfungsphase und bereits zehn davon in der entscheidenden Studienphase III, also jener, die die Ergebnisse für eine Zulassung liefert.

Entscheidend, so Krammer, wird sein, dass die Impfstoffkandidaten bewiesen haben, dass sie in einer großen Zahl von Menschen eine Immunantwort hervorgerufen haben, die sie dann vor Covid-19 schützt. (DER STANDARD v. 30.9.20)

Es wird übrigens davon ausgegangen, dass weltweit 16 Milliarden Impfdosen benötigt werden, zumal es nicht unwahrscheinlich ist, dass es wohl zwei Dosen pro Person benötigen wird und auch Auffrischungsimpfungen nicht unwahrscheinlich sind.

Viele offene Fragen

Dennoch gibt es nach wie vor sehr viele offene Fragen, gerade auch was die Übertragungswege (z.B. über Aerosole, Schmierinfektion usw.), die Infektiosität des Coronavirus oder aber auch die Wirksamkeit bestimmter Präventionsmaßnahmen (MNS-Masken, Schilde usw.) betrifft. Auch die Sensitivität und Zuverlässigkeit der unterschiedlichen Testverfahren (PCR, Antikörper- und Antigentests) ist stark schwankend.

Und zuletzt darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sich das Virus vermutlich an veränderte Bedingungen anpasst, es also mutiert. Dies ist nicht zwangsläufig mit einer größeren Gefährdung der betroffenen Patienten verbunden, denn eigentlich ist das Virus ja nicht am Tod des Wirts interessiert, sondern am Fortbestand und der Weiterverbreitung. Dazu sind die wissenschaftlichen Untersuchungen aber aktuell noch nicht weit gediehen.

Florian Krammer, äußert in diesem Zusammenhang wenige Sorgen, zumal er Coronaviren als relativ stabil betrachtet, da sie sich bezüglich ihrer Antigene nicht so verändern, wie etwa Influencaviren es tun. (DER STANDARD v. 30.9.20)

Welche weiteren Studienthemen und –fragen können sind zu erwarten?

Wir erwarten weitere Veröffentlichungen zu den neuen Impfstoffen: Wie gut wirken sie? Sind sie verträglich? Können auch ältere Menschen – Stichwort Immunseneszenz – erfolgreich geimpft werden? Auch Impfungen bei Kindern sind bislang noch ein weitgehend offenes Thema, zu dem nach den ersten Studiendaten mit Erwachsenen sicherlich noch viel zu hören sein wird. Auch Fragen zur Immunität sind noch nicht abschließend geklärt, so dass wir in der Zukunft auf weitere Erkenntnisse diesbezüglich hoffen dürfen.

Außerdem werden wir in den nächsten Monaten mehr Klarheit zu Möglichkeiten der Therapie in schwersten, aber auch in leichten Erkrankungsfällen erlangen. Neben aller Klarheit werden sich hier aber auch wieder viele neue Fragen stellen, die sich bereits jetzt abzeichnen: Frühe Kortikosteroidbehandlung in der Klinik – hilfreich oder schädlich?

Wie können langwierige Folgeprobleme, die es auch bei scheinbar milden Verläufen zu geben scheint, verhindert oder behandelt werden? Wie soll man mit asymptomatischen Fällen umgehen – unter Berücksichtigung des Fakts, dass auch diese Lungenschäden aufweisen können? Bei wem ist der Einsatz teurer Antikörpertherapien sinnvoll?

Zur Therapiefrage finden sich inzwischen neuere Gedanken zu möglichen Parallelen zwischen COVID-19 und anderen Erkrankungen – etwa der hereditären Angioödemie. Wie weit können wir diese Parallelen ziehen und liefern sie uns neue Erkenntnisse zu Risikofaktoren und zu bereits zugelassenen Medikamenten, die eine echte Chance gegen COVID-19 darstellen könnten?

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Quellen:

2020: über 50.000 Corona-Studien (www.deutschesgesundheitsportal.de)
Coronavirus: Das ist der Stand bei der Impfstoff-Entwicklung (Deutsches Bundesministerium für Bildung und Forschung)
Therapeutische Medikamente gegen die Coronavirusinfektion Covid-19 (vfa. Die forschenden Pharma-Unternehmen)

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