Aktuelle Erkenntnisse zu Long-Covid

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Immer mehr Studien widmen sich den Ausformungen von Long Covid. Ein Überblick über die neuesten Erkenntnisse aus klinischer und Grundlagenforschung.

Studie: Ist Long-COVID ein eigenes Krankheitsbild oder Vorbelastung?

In einer Vergleichsstudie haben Forschende des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) herausgefunden, dass subjektiv empfundene neurokognitive Beschwerden wie eine schlechtere Konzentrationsleistung nach einer COVID-19-Erkrankung häufig nicht mit einer objektiv erhobenen Testleistung übereinstimmen.

Vielmehr lagen diese subjektiv empfundenen Beschwerden häufig schon vor einer COVID-19-Erkrankung vor. Dabei weisen die Forschenden auf die Limitationen ihrer Studie hin, da die COVID-19-Erkrankung der Teilnehmenden selbstberichtet war und auch nur eine kleine Subgruppe überhaupt von einer solchen Erkrankung berichtete. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden im Fachmagazin Psychiatry Research veröffentlicht.

Für die Studie haben die Wissenschafler:innen eine Stichprobe aus der Allgemeinbevölkerung in Bezug auf Gedächtnis- und Konzentrationsleistung untersucht und diese Ergebnisse mit bereits 2015 – also vor der Corona-Pandemie – erhobenen Daten zur neurokognitiven Leistungsfähigkeit in Zusammenhang mit Lebensstilvariablen derselben Teilnehmenden verglichen.

„Unsere Studie soll zur Diskussion anregen. Neurokognitive Beschwerden werden subjektiv häufig überschätzt. Zugleich erhält Long-COVID als ein neues Krankheitsbild eine große mediale Aufmerksamkeit, wodurch Betroffenen auf eigene Symptome mehr achten und diese verstärkt oder provoziert werden können. Daher ist eine gut differenzierte Diagnostik wichtig, um möglicherweise vorstehende emotionale Probleme oder solche, die sich aus der Krankheitsverarbeitung ergeben könnten, nicht zu übersehen“, sagt Erstautorin Anna Baumeister aus der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKE.

Herzsymptome bei Long-Covid?

Welche Symptome sind also tatsächlich auf das Krankheitsbild Long-Covid zurückzuführen?

Da das Forschungsfeld um Long-COVID noch recht neu ist, stehen erst vergleichsweise wenige auf Studien basierende belastbare Zahlen zur Verfügung.

Eine Studie des Universitätsklinikums Frankfurt und der Goethe-Universität hat etwa untersucht ob Herzsymptome, wie etwa Belastungsintoleranz, Herzrasen und Brustschmerzen eindeutig auf Long-Covid zurückzuführen sind.

dabei wurden rund 350 Studienteilnehmer:innen ohne vorbekannte Herzprobleme nach einer überstandenen SARS-CoV-2-Infektion seriell untersucht. Dabei stellten sie fest, dass mehr als die Hälfte von ihnen noch knapp ein Jahr später von Herzsymptomen berichteten.

Die Beschwerden lassen sich laut Studie auf eine persistente leichte Herzentzündung zurückführen. Eine ausgeprägte strukturelle Herzkrankheit ist keine Charakteristik des Syndroms.

Nach einer überstandenen SARS-CoV-2-Infektion klagen viele Menschen über anhaltende Herzbeschwerden wie verminderte körperliche Leistungsfähigkeit, Herzrasen oder Brustschmerzen, selbst wenn der Infektionsverlauf mild war und sie zuvor nie Herzprobleme hatten. Frühere Studien überwiegend an jungen, sportlichen Menschen konnten bereits zeigen, dass nach einer COVID-19-Erkrankung leichte Herzentzündungen auftreten können, die jedoch nicht durch Durchblutungsstörungen des Herzens verursacht werden, wie sie etwa infolge stark verengter Herzkranzgefäße auftreten.

Ein medizinisches Wissenschaftsteam um PD Dr. Valentina Puntmann und Prof Eike Nagel vom Institut für Experimentelle und Translationale Kardiovaskuläre Bildgebung des Universitätsklinikum Frankfurt haben 346 Personen – je zur Hälfte Frauen und Männer – im Alter zwischen 18 und 77 Jahren jeweils rund vier und elf Monate nach einer überstandenen SARS-CoV-2-Infektion untersucht. Dafür wurde das Blut der Studienteilnehmerinnen und –teilnehmer untersucht, Kernspinaufnahmen des Herzens angefertigt und ihre Beschwerden anhand standardisierter Fragenbögen erfasst und bewertet.

Ergebnisse nicht eindeutig

Das Ergebnis: 73 Prozent der Menschen klagten zu Beginn der Studie über Herzprobleme, bei 57 Prozent bestanden diese Beschwerden auch noch bis zu 11 Monate nach der SARS-CoV-2-Infektion. Entsprechend konnten das Wissenschaftsteam eine zwar leichte, aber anhaltende Herzentzündung feststellen, die nicht mit strukturellen Veränderungen der Herzklappen oder Herzwände einhergingen. Auch der Blutspiegel an Troponin – einem Eiweiß, das bei Herzmuskelschäden ins Blut gelangt – war nicht auffällig.

Dr. Puntmann erläutert: „Die Beschwerden der Patienten passen zu unseren medizinischen Befunden. Allerdings unterscheidet sich die durch das SARS-CoV-2-Virus hervorgerufene Herzentzündung offenbar von einer klassischen viralen Myokarditis, denn der Herzmuskel unserer Patientinnen und Patienten war weder tiefgreifend geschädigt noch in seiner Funktion beeinträchtigt.“

Das Krankheitsbild erinnere eher an die Befunde bei chronischen diffusen Entzündungssyndromen wie etwa Autoimmunerkrankungen, so die Wissenschaftlerin und Medizinerin: „Welche Prozesse im Körper zugrunde liegen und welche langfristigen Folgen diese Form der Herzentzündung für die Betroffenen nach einer milden COVID-Infektion hat, können wir derzeit nur schwer abschätzen. Weitere Studien werden uns hier hoffentlich Klarheit verschaffen.“

Weil die Studie auf einer ausgewählten Population von Personen beschränkt war, die sich von einer COVID-19-Infektion erholt hatten, lässt sich die Zahl der Herzmuskelerkrankungen als Folge der Infektion nicht auf die Gesamtbevölkerung hochrechnen.

Long-COVID: Störungen bei Schwitzen, Lichtempfindlichkeit und Blasenkontrolle möglich

Das autonome Nervensystem kann bei COVID-19 betroffen sein. Störungen der autonomen Funktionen, wie Blutdruckkontrolle, Schwitzen, Magen-Darm- und Blasen-Kontrolle oder Pupillenfunktion, können auch als Komplikation bei Long-COVID-Patienten festgestellt werden, zeigte diese Befragung und Untersuchung mit 180 Patienten.

Symptome unterschieden sich zwischen Patienten mit und ohne neurologischen Long-COVID-Symptomen.

Eine sogenannte Dysautonomie (Störung des autonomen Nervensystems) kann als mögliche Komplikation bei Long-COVID-Patienten auftreten. Nach einer Infektion mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 wurden besonders häufig orthostatische Hypotension (Blutdruckabfall bei längerem Stehen) und posturales Tachykardie-Syndrom (POTS, starker Pulsanstieg bei längerem Stehen) beschrieben. Aber auch andere Komponenten des autonomen Nervensystems könnten betroffen sein.

Der Fragebogen COMPASS-31 (Composite Autonomic Symptom Scale 31) ermittelt in 31 Fragen Symptome, die auf Störungen des autonomen Nervensystems deuten. Dazu zählen Schwindel beim Aufstehen aus dem Sitzen oder Liegen, aber auch die Kontrolle des Magen-Darm-Trakts (z. B. Verstopfung oder Durchfall), der Harnblase (z. B. Schwierigkeiten mit der Harnkontrolle oder dem Wasserlassen), Veränderungen des Schwitzens oder Änderungen der Pupillenkontrolle (z. B. ungenügende Reaktion auf helles Licht, dadurch höhere Empfindlichkeit bei starker Helligkeit).

Symptome von 180 Teilnehmern, davon 70,6 % Frauen, im durchschnittlichen Alter von 51 Jahren (+/- 13 Jahre) wurden in dieser Studie analysiert. 97 der Patienten hatten neurologische Symptome (Myalgie/Asthenie: 22,7 %, Kopfschmerz: 13,4 %, Geruchs-/Geschmacksveränderung: 37,1 %, Schwindel: 7,2 %, Schlafstörungen: 10,3 %, “Gehirnnebel”/kognitive Probleme: 42,3 %). Die übrigen 83 Patienten berichteten keine neurologischen Symptome, aber andere Komplikationen infolge von COVID-19 (Anstrengungs-Atemnot: 61,3 %, Arthralgie: 29,1 %, Anderes: 9,6 %).
Vergleich von Patienten mit und ohne neurologischen Symptomen

Orthostatische Hypotension wurde bei 13,8 % der Patienten festgestellt. Der mittlere (Median) COMPASS-31-Score betrug 17,6 (6,9 – 31,4).

Am häufigsten traten auf:

  • Orthostatische Intoleranz (z. B. direkt nach dem Aufstehen aus dem Sitzen oder Liegen das Gefühl, ohnmächtig zu werden, schwindelig oder benommen zu sein)
  • Sudomotorische Dysfunktion (Veränderung des Schwitzens)
  • Gastrointestinale Dysfunktion (z. B. Sättigungsgefühl, Völlegefühl, Übelkeit/Erbrechen nach Mahlzeiten, Durchfälle/Verstopfung)
  • Pupillomotorische Dysfunktion (z. B. erhöhte Lichtempfindlichkeit, beeinträchtigte Sehschärfe)
  • Ein im Schnitt höherer COMPASS-31-Score wurde bei Patienten mit neurologischen Symptomen festgestellt (p < 0,01). Dabei kam es besonders häufiger zu schweren Symptomen der orthostatischen Intoleranz (p < 0,01). Gastrointestinale (p < 0,01), Harnblasenfunktion (p < 0,01) und pupillomotorische Symptome (p < 0,01) waren hingegen häufiger in der Patientengruppe zu finden, die keine neurologischen Symptome aufwies. Die Studie bestätigte, wie wichtig es ist, Symptome des autonomen Nervensystems bei Long-COVID-Patienten im Blick zu behalten. Eine Reihe von autonomen Störungen kann demnach bei Long-COVID auftreten und Betroffene stark belasten. ------- Quelle: ¹ Long-term cardiac pathology in individuals with mild initial COVID-19 illness (V. Puntmann, S. Martin, et al. in Nature Medicine volume 28, pages 2117–2123 (2022)) https://www.nature.com/articles/s41591-022-02000-0
    ² Autonomic dysfunction in post-COVID patients with and without neurological symptoms: a prospective multidomain observational study (Buoie J, Furlanis G. et al in Neurol. 2022 Feb;269(2):587-596. ) DOI: 10.1007/s00415-021-10735-y
    ³ Deutsches Gesundheitsportal / HealthCom

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