Bayer gibt nach: Pharmakonzern weist bei Iberogast auf mögliche Leberschädigungen hin

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„Nachdem es heuer zu einem 2. Todesfall, verursacht durch das beliebte rezeptfreie Magenmittel Iberogast, kam, hat die Fa. Bayer Vital GmbH mit einer Änderungsanzeige per 27.9.2018 die gegebene Zusicherung zur sofortigen Aufnahme der angeordneten Änderungen der Produktinformationstexte an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) umgesetzt. Seit zehn Jahren haben Deutsche Behörden neue Warnhinweise für Iberogast gefordert: durch den Wirkstoff Schöllkraut könne das Magenmittel, das bei Magen-Darm-Erkrankungen mit Beschwerden wie Krämpfe, Übelkeit oder Sodbrennen eingesetzt wird, der Leber schaden. Doch Hersteller Bayer weigerte sich. Anhaltende Verkaufsrückgänge haben den Konzern nun offenbar zum Schwenk bewogen.

Über eine lapidare Presseaussendung mit dem Titel „Schöllkrauthaltige Arzneimittel zur innerlichen Anwendung“ ist nun vom Hersteller, dem Pharmakonzern Bayer, bekannt gegeben worden, dass der auf dem Beipackzettel für sein rezeptfreies Magenmittel Iberogast künftig auch vor sehr seltenen, aber schwerwiegenden Leberschäden gewarnt wird.

Bekannte Nebenwirkungen der Wirkstoffes Schöllkraut verschwiegen?

Äußerungen der Grünen-Bundestagsabgeordneten Kordula Schulz-Asche in deutschland legen nahe, dass das Patientenwohl nicht zu den vordergründigen Interessen des Konzerns zählen: „Über zehn Jahre hinweg weigerte sich Bayer, Warnhinweise vor möglichen Leberschädigungen seines sich sehr gut verkaufenden pflanzlichen und nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittels Iberogast in die Packungsbeilage aufzunehmen“, schrieb die Politikerin kürzlich.

Tatsächlich ist der nun angekündigten Änderung des Beipackzettels ein zehnjähriger Disput vorausgegangen. Denn schon im Jahr 2008 hatten dem Bundesinstitut rund 50 Fallberichte aus Deutschland vorgelegen, bei denen ein Zusammenhang zwischen Leberschäden und Schöllkraut in konsumierten Präparaten vermutet wurde.

Die Behörde forderte in der Folge den damaligen Hersteller, das auf pflanzliche Arzneien spezialisierte Familienunternehmens Steigerwald auf, Produkte mit mindestens 2,5 Mikrogramm Schöllkraut pro Tagesdosis, ihre Beipackzettel um entsprechende Hinweise zu ergänzen.

Geschehen ist dies nicht, auch nicht, als das Mittel 2013 mit der Übernahme von Steigersberger durch Bayer in das Portfolio des Leverkusener Konzerns kam. Bisher wurde in der Packungsbeilage nur angegeben, dass sich aus den vorliegenden Daten keine Hinweise für Bedenken hinsichtlich der Anwendung während der Schwangerschaft und Stillzeit ableiten ließen, eine Einnahme aber nur nach Rücksprache mit dem Arzt erfolgen sollte.

Als sehr seltene Nebenwirkungen werden lediglich Überempfindlichkeitsreaktionen wie etwa Hautausschlag, Juckreiz und Atembeschwerden genannt.

Das vermeintlich harmlose Pflanzenmedikament gegen verdauungsprobleme und Übelkeit ist bereits seit Anfang der 1960er Jahre auf dem Markt. Und das extrem erfolgreich: in 30 Ländern weltweit ist es erhältlich, in 40 zugelassen. In Deutschland waren die Magentropfen im vergangenen Jahr unter den Top 3 der meistverkauften rezeptfreien Arzneimittel.

Doch Schöllkraut, eine von 9 angeführten Heilpflanzen im Medikament, steht schon lange im verdacht leberschädigend zu wirken.

Nun gab es einen zweiten Fall von Leberversagen mit Lebertransplantation, der tödlich endete. Dabei handelt es sich um den ersten publik gewordenen Todesfall, der auf die Einnahme von Iberogast zurückzuführen ist, sagte ein Bfarm-Sprecher Anfang Septemeber 2018. nach anhaltenden Nachrichten darüber knickte der Pharmakonzern Bayer ein und sicherte zu, die angeordneten Änderungen innerhalb von vier Wochen umzusetzen, was nun geschehen ist.

Neue Iberogast Packungsbeilage

Bayer hat nun die Packungsbeilage für Iberogast nach dem bekannt gewordenen Todesfall ergänzt, hier im Wortlaut:

Wirkstoff Schöllkraut

Ergänzung vom 01.10.2018

Die Fa. Bayer Vital GmbH hat mit Änderungsanzeige (sog. Variation) vom 27.9.2018 die gegebene Zusicherung zur sofortigen Aufnahme der angeordneten Änderungen der Produktinformationstexte umgesetzt. Dazu gehören

-in der Fachinformation:

4.3 Gegenanzeigen
Bei bestehenden Lebererkrankungen oder solchen in der Vorgeschichte oder gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln mit leberschädigenden Eigenschaften darf das Arzneimittel nicht eingenommen werden.

4.4 Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung

Wenn Zeichen einer Leberschädigung (Gelbfärbung der Haut oder Augen, dunkler Urin, entfärbter Stuhl, Schmerzen im Oberbauch, Übelkeit, Appetitverlust, Müdigkeit) auftreten, sollten Patienten die Einnahme von Iberogast® sofort beenden und einen Arzt aufsuchen.

4.6 Schwangerschaft und Stillzeit
Iberogast® darf von Schwangeren und Stillenden nicht eingenommen werden.

4.8 Nebenwirkungen

Bei der Anwendung von Schöllkraut-haltigen Arzneimitteln sind Fälle von Leberschädigungen [Anstieg der Leberenzymwerte und des Bilirubins bis hin zu arzneimittelbedingter Gelbsucht (medikamentös-toxischer Hepatitis)] sowie Fälle von Leberversagen aufgetreten.

-in der Gebrauchsinformation:


2. Was müssen Sie vor der Einnahme von Iberogast® beachten?

Iberogast® darf nicht eingenommen werden:
Wenn Sie an Lebererkrankungen leiden oder in der Vorgeschichte litten oder wenn Sie gleichzeitig Arzneimittel mit leberschädigenden Eigenschaften anwenden.

Besondere Vorsicht bei der Einnahme von Iberogast® ist erforderlich:
Wenn Zeichen einer Leberschädigung (Gelbfärbung der Haut oder Augen, dunkler Urin, entfärbter Stuhl, Schmerzen im Oberbauch, Übelkeit, Appetitverlust, Müdigkeit) auftreten, sollten Sie die Einnahme von Iberogast® sofort beenden und einen Arzt aufsuchen.

Schwangerschaft und Stillzeit:
Iberogast® darf von Schwangeren und Stillenden nicht eingenommen werden.

4. Welche Nebenwirkungen sind möglich?
Bei der Anwendung von Schöllkraut-haltigen Arzneimitteln sind Fälle von Leberschädigungen [Anstieg der Leberenzymwerte, des Bilirubins bis hin zu arzneimittelbedingter Gelbsucht (medikamentös-toxischer Hepatitis) sowie Fälle von Leberversagen] aufgetreten.

Mit Ablauf der vereinbarten Umsetzungsfrist zum 8.10.2018 erfolgt die Auslieferung von Iberogast® nach Information der Fa. Bayer Vital GmbH nur noch mit den geänderten Texten. Die Überwachung der Umsetzung obliegt der zuständigen Landesbehörde.

Ärzte- und Apothekerschaft wurden über deren Arzneimittelkommissionen über die vorzunehmenden Änderungen sowohl vom BfArM als auch von der Fa. Bayer Vital GmbH informiert, sodass die Information auf diesem Wege an die Patientinnen und Patienten gelangt. Patientinnen und Patienten sollten sich bei Fragen zu Iberogast® an ihren Arzt oder Apotheker wenden.

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Quellen:

Presseaussendung Bayer GmbH: Schöllkrauthaltige Arzneimittel zur innerlichen Anwendung
Bayer ändert Iberogast Beipackzettel doch

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