Darmbakterium Hauptursache für Parkinson-Krankheit?

Politik & Forschung

Es könnte nicht weniger als der Durchbruch in der Parkinson-Forschung sein: Mikrobiologen der Universität Helsinki haben gezeigt, dass ein bestimmtes Darmbakterium in den meisten Fällen die wahrscheinliche Ursache der Parkinson-Krankheit ist.

Es handelt sich um bestimmte Stämme des Desulfovibrio-Bakteriums, die dafür sorgen, dass bei Erkrankten mehr vom körpereigenen Protein α-Synuclein erzeugt wird.

Die Anhäufung (Aggregation) des Proteins Alpha-Synuclein in Nervenzellen ist charakteristisch für eine Parkinson-Erkrankung. Es wird vermutet, dass die Aggregation von α-Synuclein-Proteins, eine Rolle bei der Schädigung und dem Absterben von Nervenzellen im Gehirn zu spielt, was zu den typischen motorischen und nicht-motorischen Symptomen von Parkinson führt

Das Protein α-Synuclein hat entscheidende Auswirkungen auf die Dopamin-Produktion, indem es den Dopamin-Stoffwechsel unterdrückt bzw. zu einer Veränderung der Dopamin-Freisetzung durch eine gestörte Dopamin-Neurotransmission führen kann.

Die verminderte Produktion des Botenstoffes Dopamin führt zu den typischen Symptomen der Parkinson-Kankheit wie Zittern und Steifheit.

Die finnische Studie ermöglicht das Screening der Träger von Desulfovibrio-Stämmen, es schafft also die Möglichkeit Träger der sogenannten Desulfovibrio-Stämme gezielt zu identifizieren und die Bakterien anschließend aus dem Darm entfernen zu können.

Dies dürfte nach Ansicht der Forscher zumindest zu einer Linderung der Parkinson-Krankheit führen.

Studie: Desulfovibrio Bakterium hauptverantwortlich für Parkinson-Krankheit

Wissenschaftler der Universität Helsinki rund um Professor Per Saris haben bei der Präsentation ihrer Studie (05/2023) bekanntgegeben, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit die Hauptursache für die allermeisten Parkinson-Erkrankungen entdeckt haben.

Die Ausgangslage: Vermutet wurde, dass die Darmmikrobiota (früher Darmflora) möglicherweise eine Schlüsselrolle beim Fortschreiten auch der Parkinson-Krankheit, spielt. Veränderungen in der Häufigkeit von Darmbakterien wie Helicobacter pylori, Enterococcus faecalis und eben Desulfovibrio könnten an der Pathogenese der Parkinson-Krankheit beteiligt sein oder die Parkinson-Therapie beeinträchtigen.

Desulfovibrio (DSV) sind sulfatreduzierende Bakterien (SRB), die allgegenwärtig in der Umwelt und als residente Kommensalbakterien im menschlichen Magen-Darm-Trakt vorkommen.

Obwohl es sich bei DSV um geringfügige Bewohner des gesunden Darms handelt, handelt es sich um opportunistische Pathobionten, die im Rahmen verschiedener intestinaler und extraintestinaler Erkrankungen überwuchern können.

Immer mehr Studien haben einen positiven Zusammenhang zwischen DSV-Überwucherung (Blüte) und verschiedenen menschlichen Krankheiten gezeigt.

Die Darmmikrobiota und das distale Gehirn wirken nämlich über eine Darm-Hirn-Achse, die aus dem Nervensystem, dem endokrinen System und dem Immunsystem besteht, aufeinander ein.

Durchbruch bei Erforschung der Parkinson-Krankheit

Die Ergebnisse haben gezeigt, dass bestimmte Stämme des Darmbakteriums Desulfovibrio wahrscheinlich Parkinson verursachen.

Die Forscher haben experimentell untersucht, ob die Desulfovibrio-Stämme, die bei Patienten gefunden wurden, zu Fortschritten bei Parkinson führen können.

Das Ergebnis der Studie war, dass diese Stämme bei Patienten mit Parkinson im Modellorganismus für Parkinson, dem Wurm Caenorhabditis elegans, eine signifikante Aggregation des α-Synuclein-Proteins verursachen.

Die Studie ergab auch, dass Desulfovibrio-Stämme (DSV), die von gesunden Personen isoliert wurden, nicht in demselben Maße zu α-Synuclein-Aggregation führen.

Die Ergebnisse der Studie sind signifikant, da die Ursache von Parkinson trotz Versuchen, sie in den letzten zwei Jahrhunderten zu identifizieren, unbekannt geblieben ist.

Der Studienleiter weist darauf hin, dass diese Erkentnisse etwa 90 Prozent der Parkinsonpatienten betrifft, bei denen die neurodegenerative Erkrankung hauptsächlich durch Umweltfaktoren verursacht wird, d.h. durch Umweltexposition gegenüber den Desulfovibrio-Bakterienstämmen.

Keine Erklärung lieferen die neuen Erkenntnisse für 10% der Betroffenen, 10 % deren Parkinson-Erkrankungen genetisch verursacht ist.

Neue Therapie: Heilung durch Bakterienfresser?

Die Forscher schließen aus den Erghebnissen der Studie, dass es möglich ist, nicht nur Träger dieser schädlichen Desulfovibrio-Bakterien zu identifizieren, sondern auch diese Stämme aus dem Darm zu entfernen, um die Symptome von Parkinson-Patienten zu lindern und zu verlangsamen.

Dies könnte mit Hilfe von Bakteriophagen gelingen, also bakterienfressende Viren, die speziell auf DSV angesetzt werden. Auch Antikörper könnten laut Forscher eine Möglichkeit sein, die Parkinson-Bakterien zu vernichten. Ebenfalls eine Option wären Stuhltransplantationen, also eine Übertragung von gesundem Mikrobiom in den Darm von Erkrankten.

Es gibt allerdings eine große Einschränkung, die allzu hohe Erwartungen dämpft: Bedingung für einen etwaigen Einsatz der genannten Therapieoptionen ist eine Analyse und die eindeutige Identifikation der einzelnen DSV-Stämme als tatsächlich „bösartig“, ein zumindest derzeit noch extrem aufwendiges und kostspieliges Unterfangen.

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Quellen:

¹ Desulfovibrio bacteria enhance alpha-synuclein aggregation in a Caenorhabditis elegans model of Parkinson’s disease (Per E. J. Saris et al. in Front. Cell. Infect. Microbiol., 01 May 2023
Sec. Molecular Bacterial Pathogenesis; Volume 13 – 2023) DOI: https://doi.org/10.3389/fcimb.2023.1181315
² Desulfovibrio in the Gut: The Enemy within? (Sudha B. Singh et al. in Microorganisms; 2023 Jul 7;11(7):1772.) DOI: 10.3390/microorganisms11071772

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