Im November 2011 wurde sie veröffentlicht, seit Dezember 2015 gilt sie auch in Österreich: die EU-Verordnung über die Information der Verbraucher über Lebensmittel (Regulation on Food Information; EU-InformationsVO) Nr.1169/2011. Was kann sie, was nutzt sie, wem hilft sie? Ein Resümee.
EU-Verordnung über die Information der Verbraucher über Lebensmittel
Das EU-Kennzeichnungsrecht, das die Deklaration von Lebensmitteln seit den 1970er Jahren in Europa weitgehend einheitlich regelt, wurde 2011 neu gefasst. Die neue EU-Verordnung über die Information der Verbraucher über Lebensmittel Nr. 1169/2011 betrifft die allgemeine Kennzeichnung sowie die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln – verpackten und offenen.
Die allgemeinen Kennzeichnungsbestimmungen müssen spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten (12. Dezember 2011), also seit 13. Dezember 2014 angewendet werden, die Bestimmungen über die Nährwertkennzeichnung fünf Jahre nach Inkrafttreten, also ab 13. Dezember 2016.
Was regelt die Verordnung Nr. 1169/2011
Die EU Verordnung über die Information der Verbraucher von Lebensmitteln regelt nicht nur was, sondern auch wie deklariert werden muss. So müssen die Kennzeichnungselemente
- leicht verständlich
- deutlich lesbar (Schriftgröße zwischen 0,9 mm und 1,2 mm)
- dauerhaft angebracht und
- nicht durch andere Angaben verdeckt oder getrennt sein.
Während die Lebensmittelkennzeichnung vor allem auf verpackte Lebensmittel abzielt, sind von der Allergeninformationsverordnung die Gastronomie und andere Lebensmittelunternehmer, einschließlich Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung wie Kantinen, Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Cateringunternehmen, u.v.m. – also alle, die unverpackte Lebensmittel an Endverbraucher abgeben, betroffen.
Allerdings gibt es Ausnahmen für Kleinstbetriebe (Stichwort: Maronibrater). Weiters gibt es Ausnahmen für die Bewirtung von Kunden in gastronomiefernen Branchen (Brötchen in der Boutique), sowie bei von Eltern u/o Kindern organisierten Buffets an Schulen, Pfarrfesten, etc..
Welche Informationen anzugeben sind
- Bezeichnung des Lebensmittels
- Zutaten (in absteigender Reihenfolge des jeweiligen Gewichtsanteils zum Zeitpunkt der Verwendung bei der Herstellung)
- Werden Zutaten in Form technisch hergestellter Nanomaterialien eingesetzt, sind sie mit dem Klammerausdruck „Nano“ zu kennzeichnen
- Allgergenkennzeichnung (die 14 wichtigsten allergieauslösenden Stoffe – Allergeninformationsverordnung)
- Menge bestimmter Zutaten oder Zutatenklassen
- Nettofüllmenge
- Mindesthaltbarkeitsdatum/Verbrauchsdatum/Datum des Einfrierens (abhängig von der Verderblichkeit der Ware)
- Gegebenenfalls Aufbewahrungs- und/oder Verwendungsbedingungen
- Name oder Firma und die Anschrift des Lebensmittelunternehmers
- Ursprungsland oder Herkunftsort
Die EU-Informationsverordnung sieht darüberhinaus noch weitere Kennzeichnungsbestimmungen vor, u.a. für Lebensmittelimitate (z.B. Pflanzenfett statt Käse), zugesetzte Pflanzensterine bzw. Pflanzenstanole, Aspartam-Acesulfamsalz, „Aufgetaut“-Hinweis, „Herkunfts“-Hinweise „Koffein“-Hinweise, u.v.m.
Bei Ölen und Fetten muss der Ursprung genannt werden – also nicht nur ‚Pflanzenfett‘ sondern ‚Pflanzenfett (Kokos)‘. Wenn Fleischprodukte mittels Enzymen ‚zusammengeklebt‘ werden, muss ersichtlich sein, dass es sich um ‚Klebfleisch‘ handelt. Gleiches gilt für Fleischprodukte die zu mehr als 5% mit Wasser ‚aufgespritzt‘ wurden – auch diese ‚Behandlung‘ muss eindeutig erkennbar sein.
Für bestimmte ’natürliche‘ Lebensmittel, wie frisches Obst und Gemüse, Gärungsessig, Käse, Butter, etc. ist kein Zutatenverzeichnis erforderlich – gleiches gilt auch für bestimmte Bestandteile von Lebensmitteln.
Bürokratische Schikane oder mehr Transparenz für Konsumenten?
An dieser Frage scheiden sich die Geister. Allergiker finden die neue Regelung gut. Endlich sei kein Nachfragen mehr notwendig; die automatische Kennzeichnung mache den Restaurantbesuch, wie auch den Einkauf generell viel einfacher. Man fühle sich nicht mehr wie ein quengelnder, lästiger Unruhstifter, sondern könne auf Basis der vorhandenen Informationen ohne Nachfragen entscheiden – so zumindet die Idee.
Die Lebensmittelindustrie – v.a. Klein- und Mittelbetriebe – beklagen hingegen hohe Kosten durch die neuen Verpflichtungen. Die EU Verordnung sei das Ergebnis erfolgreichen Lobbyings der großen Lebensmittelhersteller und nütze v.a. den großen Konzernen. Schließlich seien diese durch die Einbindung in den Gesetzwerdungsprozess ausreichend vorbereitet und auch die Umstellungskosten seien relativ betrachtet natürlich viel weniger dramatisch, als für kleine, regionale Hersteller.
Zudem würden in der Folge die großen Konzerne insofern profitieren, als viele Gastronomiebetriebe, um auf der sicheren Seite zu sein, sich lieber von den großen Unternehmen beliefern lassen werden – so die Befürchtung der ‚kleinen‘. Den ‚kleinen Hersteller ums Eck‘, der die Angaben eventuell doch nicht 100% ausreichend deklarieren kann, zu beauftragen, birgt schließlich ein Folgerisiko. Ein Verdrängungswettbewerb zulasten der regionalen Anbieter wird so in Gang gesetzt werden, meinen viele kritische Stimmen.
Resümee & Fazit
Im ersten Jahr des Inkraffttretens der Allergenverordnung setzt das Marktamt auf Beratung statt Strafe – nur ‚Totalverweigerer‘, also jene Betriebe „die gar nichts unternommen haben und dies auch weiterhin nicht wollen“, wie Andreas Müller, Leiter der Gruppe Lebensmittelsicherheit der MA 59 erläutert, bekamen Strafen zwischen 150 und 450 Euro. Der theoretische Strafrahmen bis zu einer Maximalstrafe in der Höhe von bis zu 50.000 Euro wurde damit bei weitem nicht ausgeschöpft.
Soweit – so gut. Doch wie sieht es mit der Umsetzung aus? Ist das Gesetz praktikabel – sowohl für Konsumenten, Hersteller als auch Gastronometriebe?
Entweder es steht in der Speisekarte, oder der Kellner informiert Sie mündlich: ‚Ihre Frittatensuppe enthält A, C, G, L und M‘. Ebenfalls möglich, dass Sie als Gast nur einen foliierten Zettel zu sehen bekommen, der Sie darauf hinweist, dass geschultes Personal zur Verfügung steht, falls Sie Informationen über Allergene in den Speisen erhalten wollen.
Soweit – so österreichisch. Doch Mitte Dezember 2015 geht die selbst auferlegte ‚Toleranzfrist‘ der Behörde zu Ende. Man wird sehen, ob die von den Wirten getroffenen Maßnahmen hinreichend sind. Und man sollte auch die Allergiker fragen, ob ihr Leben seit der Verordnung einfacher und unproblematischer geworden ist.
Schließlich ist die Verordnung kein Selbstzweck, sondern soll der Konsumentsicherheit dienen. Dafür muss sie praktikabel und lebbar ausgestaltet sein, ohne die Lebensmittelindustrie zu schikanieren, bzw. kleine Anbieter an den Rand zu drängen. Bleibt zu hoffen, dass dies gelingt!
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Quelle:
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