Künstliche Intelligenz als psychotherapeutische Unterstützung?

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In den letzten Jahren hat die künstliche Intelligenz (KI) nahezu jeden Aspekt unseres Lebens durchdrungen, von der Medizin bis hin zur Automobilindustrie.

Eine faszinierende Anwendung von KI, die zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist ihre Verwendung als psychotherapeutische Unterstützung.

Doch wie wirksam und ethisch vertretbar ist diese Vorgehensweise?

Anlässlich der neuesten Erkenntnisse in diesem Bereich untersuchen wir in diesem Artikel die Vor- und Nachteile sowie die ethischen Bedenken im Zusammenhang mit der Nutzung von KI in einem Bereich, in dem zwischenmenschlicher Kontakt traditionell als unverzichtbar gilt.

KI als Revolution in der psychotherapeutischen Therapielandschaft?

Künstliche Intelligenz kann Gefühle aufgrund von Gesichtsausdrücken in psychotherapeutischen Situationen verlässlich erkennen. Das zeigt eine Machbarkeitsstudie von Forschenden der Fakultät für Psychologie und der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) der Universität Basel.

Das Gesicht ist ein Spiegel für die Gefühlslage eines Menschen. Die Interpretation von Gesichtsausdrücken, zum Beispiel im Rahmen einer Psychotherapie oder der psychotherapeutischen Forschung, kann deshalb gut charakterisieren wie sich ein Mensch gerade fühlt.

Bereits in den 1970er-Jahren entwickelte der Psychologe Paul Ekmann ein standardisiertes Kodierungssystem, um einem Gesichtsausdruck auf einem Bild oder in einer Videosequenz, Basisemotionen wie Glück, Ekel oder Trauer zuzuordnen.

Die Auswertung und Interpretation aufgezeichneter Gesichtsausdrücke im Rahmen eines Forschungsprojekts oder einer Psychotherapie sind aber extrem zeitaufwendig. Daher weichen Fachleute in der Psychiatrie oft auf wenig verlässliche indirekte Methoden aus wie etwa die Leitfähigkeitsmessung der Haut, die auch ein Gradmesser für emotionale Erregung sein kann.

«Wir wollten herausfinden, ob KIs die Gefühlslage von Patientinnen und Patienten in Videoaufzeichnungen von Therapiesitzungen zuverlässig bestimmen können», sagt Martin Steppan, der die Studie zusammen mit Prof. em. Klaus Schmeck, PD Dr. Ronan Zimmermann und Dr. Lukas Fürer von den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) konzipiert hat. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forscher im Fachmagazin «Psychopathology».

KI zur Analyse von Gesichtsausdrücken: die Kraft der Daten

Die Forschenden verwendeten dazu frei verfügbare künstliche neuronale Netze, die mithilfe von über 30’000 Gesichtsfotos auf die Erkennung von sechs Basisemotionen trainiert wurden: Glück, Überraschung, Ärger, Abscheu, Trauer, und Angst.

Am Center for Scientific Computing der Universität Basel analysierte diese KI danach Videodaten der Therapiesitzungen von insgesamt 23 Borderline-Patientinnen und -Patienten. Insgesamt über 950 Stunden an Videoaufnahmen mussten die Hochleistungsrechner für diese Studie verarbeiten.

Das Resultat war erstaunlich: Der statistische Vergleich zwischen der Auswertung von drei geschulten Therapeuten und der KI zeigten eine bemerkenswerte Übereinstimmung. Die KI beurteilte die Gesichtsausdrücke so verlässlich wie der Mensch. Darüber hinaus erkannte die KI aber auch kürzeste Gefühlsregungen im Millisekunden Bereich, beispielsweise ein kurzes Lächeln oder einen Ausdruck von Ekel.

Solche sogenannten ‚Micro Expressions‘ können Therapeuten entgehen oder sie werden von diesen nur unbewusst wahrgenommen. Die KI ist somit in der Lage kurze Gefühlsregungen sensibler zu messen, als dies geschulten Therapeutinnen und Therapeuten möglich ist.

Die KI-Analyse brachte zudem einen unerwarteten Befund. Patientinnen und Patienten, die zu Beginn einer Therapiesitzung emotionale Beteiligung zeigten und lächelten, brachen später die Psychotherapie seltener ab als Menschen, die sich gegenüber dem Therapeuten oder der Therapeutin unbeteiligt zeigten.

Dieses «soziale» Lächeln könnte demnach ein guter Vorhersagewert für den Therapieerfolg bei einer Person mit einer Borderline-Symptomatik sein.

«Es hat uns doch überrascht, dass relativ einfache KI-Systeme so robust Gesichtsausdrücke auf ihre Gefühlsregungen deuten können», sagt Martin Steppan.

Die Rolle von KI in der Psychotherapie

Traditionell beruht psychotherapeutische Unterstützung auf dem zwischenmenschlichen Kontakt zwischen Therapeuten und Patienten. Doch in einer zunehmend digitalisierten Welt werden innovative Technologien, insbesondere KI, als Ergänzung oder sogar Alternative zu herkömmlichen therapeutischen Ansätzen betrachtet. KI-basierte Programme können in verschiedenen Bereichen der Psychotherapie eingesetzt werden, darunter:

Diagnose und Screening: KI-Algorithmen können große Mengen an Patientendaten analysieren und Muster erkennen, die auf bestimmte psychische Erkrankungen hinweisen. Dadurch können sie helfen, eine schnellere und präzisere Diagnose zu stellen.

Behandlungsunterstützung: Intelligente Programme können personalisierte Therapieansätze entwickeln, die auf den individuellen Bedürfnissen und Fortschritten des Patienten basieren. Sie können auch als Werkzeug zur Überwachung von Symptomen und zur Anpassung der Behandlung im Verlauf der Therapie dienen.

Therapeutische Intervention: KI-basierte Chatbots und virtuelle Assistenten können rund um die Uhr verfügbar sein, um Patienten bei der Bewältigung von Stress, Angstzuständen oder anderen psychischen Problemen zu unterstützen. Sie bieten eine nicht-wertende, stets zugängliche Plattform für den Austausch von Gedanken und Gefühlen.

Vorteile:

  • Zugänglichkeit: KI-basierte Programme können Menschen erreichen, die aufgrund geografischer, finanzieller oder stigmatisierender Barrieren keinen Zugang zu herkömmlicher Psychotherapie haben.
  • Personalisierung: Durch die Analyse großer Datenmengen können KI-Algorithmen maßgeschneiderte Behandlungspläne erstellen, die auf die individuellen Bedürfnisse und Präferenzen des Patienten zugeschnitten sind.
  • Kostenersparnis: Die Nutzung von KI kann die Kosten für psychotherapeutische Behandlungen senken, da weniger personelle Ressourcen benötigt werden und wiederholte Sitzungen mit einem Therapeuten möglicherweise nicht erforderlich sind.

KI könnte sich damit zu einem wichtigen Hilfsmittel in Therapie und Forschung entwickeln. Bei der Untersuchung bereits bestehender Videoaufzeichnungen von Forschungsstudien könnten mit KI emotional relevante Momente in einer Gesprächsaufnahme einfacher und direkter aufgespürt werden. Diese Fähigkeit könnte auch die Supervision von Psychotherapeutinnen und -therapeuten unterstützen.

Nachteile:

  • Mangel an Empathie: KI-Programme können keine echten zwischenmenschlichen Beziehungen oder Empathie bieten, was für viele Patienten ein wichtiger Aspekt der Therapie ist.
  • Datenschutzbedenken: Die Verwendung von KI in der Psychotherapie erfordert die Sammlung und Analyse sensibler persönlicher Daten, was doch relevante Datenschutz- und Sicherheitsrisiken mit sich bringt.
  • Risiko von Fehldiagnosen: Obwohl KI-Algorithmen in der Lage sind, Muster in Daten zu erkennen, können sie natürlich auch fehlerhaft sein und falsche Diagnosen oder Behandlungsempfehlungen liefern.

KI in der psychotherapeutischen Therapielandschaft: Revolution oder Irrweg?

Die Einführung von KI in die Psychotherapie wirft eine Reihe ethischer Fragen auf, die sorgfältig berücksichtigt werden müssen:

Ein ganz entscheidender Bereich ist zweifellos Transparenz und Verantwortlichkeit. Es ist wichtig, dass die Funktionsweise von KI-Algorithmen transparent ist und dass klare Verantwortlichkeiten für deren Einsatz und Ergebnisse festgelegt werden.

Unter der Überschrift Autonomie und Einwilligung müssen Patienten über die Verwendung von KI in ihrer Therapie informiert werden und die Möglichkeit haben, ihre Zustimmung zu geben oder abzulehnen.

Und last but not least, gilt es die Bereich Datenschutz und Vertraulichkeit massiv zu diskutieren. Es müssen strenge Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre und Vertraulichkeit sensibler Patientendaten implementiert werden, um Missbrauch oder unbefugten Zugriff zu verhindern.

Insgesamt bietet die Integration von KI in die psychotherapeutische Praxis sowohl Chancen als auch Herausforderungen.

«Die therapeutische Arbeit ist aber weiterhin in der erster Linie Beziehungsarbeit und bleibt eine menschliche Domäne», sagt Steppan. «Zumindest vorläufig.»

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Quellen:

¹ Machine Learning Facial Emotion Classifiers in Psychotherapy Research: A Proof-of-Concept Study (Steppan M. et al. in Psychopathology;1-10/2023), doi: 10.1159/000534811
² www.deutschesgesundheitsportal.de

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