Lithium wird schon lange zur Behandlung psychischer Erkrankungen verwendet – doch woher kommt das Lithium und welchen Einfluss hat es tatsächlich?
Regionale Unterschiede
In Österreich gibt es bei den Suizidraten große regionale Unterschiede. In der Steiermark liegt sie deutlich über dem Durchschnitt, im burgenländischen Bezirk Neusiedl oder in Osttirol zum Beispiel beträgt sie hingegen weniger als 40 Prozent des Mittelwerts. Das kann zwar auch an statistischen Unreinheiten legen, bzw. an der Mentalität, wie ‚ehrlich‘ Todesursachen erfasst und hinterfragt werden, aber dennoch erstaunt das regionale Gefälle.
Nestor Kapusta von der Med. Uni Wien und sein Team gehen dem seltsamen Phänomen der ungleichen Verteilung seit mehreren Jahren nach. Eine der möglichen Ursachen für die Ungleichverteilung ist ein eher wenig beachtetes Element namens Lithium. Das Alkalimetall kommt in unterschiedlichen Mengen im Boden, im Erdreich und in Gestein vor. Lithiumverbindungen sind leicht löslich; das Element tritt oft in Form positiv geladener Ionen auf.
Altbewährtes Mittel
Das Element wird schon seit vielen Jahren erfolgreich bei der Behandlung psychischer Störungen eingesetzt. Lithiumpräparate wirken aggressionshemmend und stimmungsaufhellend und verringern so auch das Selbstmordrisiko – und das weit effektiver als dies viele andere Psychopharmaka leisten können. Lithiumsalze lösen auch nur wenige Nebenwirkungen aus – lediglich nach langjähriger Einnahme kann es zu einer Schilddrüsen-Unterfunktion oder Beeinträchtigung der Nierenfunktion kommen.
Wie wirkt Lithium?
Bisherigen Erkenntnissen zufolge beeinflussen die Ionen die Wirkung des Botenstoffs Serotinin, indem sie in die von dem Botenstoff gesteuerten Signalketten eingreifen. Parallel dazu wird auch das Enzym GSK-3 durch Lithium direkt inaktiviert und die Hemmung von GSK-3 führt zu einer Steigerung der Neuroplastizität.
So wird die Neubildung von Zellen gefördert: „Bereits niedrige Dosen von Lithium scheinen auch schützend gegen Alzheimer zu wirken“, sagt Kapusta. Das Metall verleiht dem Hirn womöglich eine erhöhte Regenerationsfähigkeit, und das wirkt sich bei Depressionen positiv aus.
Therapeutischer Einsatz
Lithium wird in der spezifischen Therapie in Dosen von bis zu mehreren hundert Milligramm verabreicht – einer Konzentration, die in der natürlichen Umwelt so nicht vorkommt: natürliche Konzentrationen gehen nur selten über 0,1 Milligramm pro Liter Wasser. Mittlerweile gibt es aber zunehmend Hinweise darauf, dass bereits eine ständige Aufnahme von relativ geringen Lithiummengen positive Auswirkungen auf die Psyche haben könnte.
Eine genaue Datenanalyse belegte, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Lithiumgehalt im Trinkwasser eines Bezirks und der dort festgestellten Selbstmordrate gibt: Je höher die Lithium-Konzentration, desto niedriger die Selbstmordhäufigkeit.
Auch unter Berücksichtigung anderer relevanter Faktoren (Sonnenstunden, Tageshelligkeit, Arbeitslosenrate, Lärmbelästigung…) blieb der Zusammenhang statistisch relevant – nicht nur in Österreich – (vgl.: „British Journal of Psychiatry“, Bd. 198,). Ähnliche Effekte wurde auch in US amerikanischen, japanischen und griechischen Studien festgestellt.
Lithiumquellen
Die Lithium Konzentrationen ist in Österreich sehr unterschiedlich, aber nicht ausgeprägt hoch und der Lithiumursprung oft nicht eindeutig identifizierbar. Der höchste Wert wurde in Österreich mit 1,3 Milligramm pro Liter Trinkwasser in der Nähe von Graz gemessen – was eigentlich überrascht, ist die Suizidrate dort doch eher hoch. Im Schnitt lassen sich in Österreich hingegen nur 0,0113 mg Lithium pro Liter nachweisen.
Da diese Konzentrationen allesamt recht niedrig sind, wurde ein weiterer Faktor in Betracht gezogen: Könnte das Metall zum Teil nicht-natürlichen Ursprungs sein? Amerikanische Studien haben wiederholt Stoffe wie Ibuprofen, Codein, Koffein und sogar das Antidepressivum Fluoxetin im Trink- oder im Grundwasser nachgewiesen. Ihr Ursprung: vermutlich aus geklärten Abwässern, werden Medikamente in Kläranlagen meist nicht ausreichend ausgefiltert.
Hohe Lithiumkonzentration als Folge erhöhter Lithiumverabreichung?
Der konkrete Verdacht der Wissenschaftler lautete nun, dass die Lithium-Konzentrationen eventuell die regionale Verschreibungspraxis für lithiumhaltige Medikamente widerspiegle. Die ungewöhnlich hohen Lithiumwerte im Trinkwasser wären dann eben kein natürliches Vorkommen, sondern das Resultat häufiger Lithium-Behandlungen.
Doch eine zweite Studie widerlegte den Verdacht: „Die Korrelation ist sehr schwach. Der Nachweis, dass Lithium im Trinkwasser von Medikamentenrückständen stammen könnte, wurde nicht erbracht.“ Natürlicher Lithiumreichtum verringert die Zahl der Suizide – andere Faktoren spielen aber eine größere Rolle, wie Nestor Kapusta abschliessend erläutert.
Fazit
Lithium wirkt stimmungsaufhellend, der höhere Lithiumgehalt im Trinkwasser ist nicht das Ergebnis einer inflationären Lithium-Verschreibungspraxis, und möglichweise hat die Studie doch ein paar Faktoren unberücksichtigt gelassen.
Denn allein der Lithiumgehalt im Trinkwasser sagt noch nicht all zu viel aus – vielmehr wäre es auch notwendig zu erfahren, wie viel Trinkwasser die Teilnehmer der Studie jeweils individuell zu sich nehmen bzw. ob es auch mögliche andere Lithiumquellen (z.B. Spezifische Ernährungsformen) geben könnte. Eine weitere Erforschung des Lithium Einsatzes in der psychiatrischen Praxis wäre wünschenswert!
Linktipps:
- Plattform Medizin transparent
- Krankheitslexikon – Depression
- Studie: Die suizidprophylaktischen Effekte von Lithium im Trinkwasser
- Lithiumsalze in der psychiatrischen Behandlung
- Körper und Depression
- Flüssigkeitshaushalt optimieren: Wasser gegen Zucker, statt Wasser mit Zucker