Löst Magnetpartikelbildgebung (MPI) das Röntgen ab?

Magnetpartikelbildgebung (MPI)

Könnte eine neue Technologie die medizinische Bildgebung revolutionieren – und das gerade dort, wo einst Wilhelm Conrad Röntgen selbst den Grundstein für die moderne Radiologie legte?

Mit der erfolgreichen Entwicklung eines menschengroßen Scanners zur Magnetpartikelbildgebung (MPI) durch Forscher:innen in Würzburg wird genau diese Frage nun wieder aktuell. Denn das Verfahren verspricht nicht weniger als eine strahlenfreie, kontrastmittelschonende Alternative zu klassischen Röntgentechniken – mit großem Potenzial für den klinischen Alltag.

Ein neues Zeitalter in der Bildgebungstechnologie?

Die Geschichte der modernen medizinischen Bildgebung beginnt im Jahr 1895 in Würzburg, als Wilhelm Conrad Röntgen die nach ihm benannten Strahlen entdeckte.

Seitdem sind Röntgenstrahlen aus der medizinischen Diagnostik nicht mehr wegzudenken. Doch am gleichen Ort, wo diese bahnbrechende Technologie ihren Ursprung nahm, könnte sich nun ein Paradigmenwechsel anbahnen:

Ein interdisziplinäres Forscherteam aus Physik und Radiologie der Universität und Universitätsklinik Würzburg hat erstmals einen menschengroßen Scanner zur sogenannten Magnetpartikelbildgebung (Magnetic Particle Imaging, MPI) entwickelt und erfolgreich getestet. Damit könnte die Ära der strahlenbasierten Bildgebung vor ihrer größten Neuerung seit der Entdeckung der Röntgenstrahlen stehen.

Was ist Magnetpartikelbildgebung (MPI)?

Die Magnetpartikelbildgebung ist ein relativ junges Bildgebungsverfahren, das sich grundlegend von klassischen Methoden wie Röntgen, CT oder MRT unterscheidet.

MPI basiert auf der Verwendung superparamagnetischer Eisenoxid-Nanopartikel (SPIONs), die als Kontrastmittel intravenös injiziert werden. Diese Partikel verhalten sich magnetisch nur unter bestimmten Bedingungen und können mithilfe spezieller magnetischer Felder selektiv angeregt und detektiert werden.

Im Gegensatz zu anderen Verfahren misst MPI nicht das durch den Körper absorbierte Signal (wie beim Röntgen) oder die Relaxation von Wasserstoffatomen (wie bei der Magnetresonanztomographie), sondern erzeugt ein Bild durch die direkte Detektion der magnetischen Nanopartikel. Das Verfahren ist dabei völlig strahlungsfrei und liefert hochauflösende, dynamische Bilder ohne Hintergrundrauschen.

Wie funktioniert MPI im Detail?

Zentraler Bestandteil der MPI-Technologie ist das sogenannte Field-Free Point (FFP) oder Field-Free Line (FFL). Dabei handelt es sich um einen kleinen Raumbereich, in dem das magnetische Feld Null ist.

Die magnetischen Nanopartikel können nur in diesem Bereich ihre magnetische Antwort ändern. Ein sich schnell änderndes Magnetfeld wird eingesetzt, um die Position der Partikel zu bestimmen, indem der FFP durch das zu untersuchende Volumen bewegt wird.

Aus der detektierten magnetischen Antwort kann ein dreidimensionales Bild der Partikelverteilung im Körper rekonstruiert werden.

Ein wesentlicher Vorteil: MPI liefert echte quantitative Daten. Das heißt, die Signalstärke ist direkt proportional zur Menge der verwendeten Tracerpartikel. Das erlaubt eine präzise Aussage über die Kontrastmittelverteilung und somit auch über die Physiologie des Zielgewebes.

Warum ist MPI für die Gefäßdiagnostik interessant?

Gerade in der vaskulären Bildgebung spielen die Risiken klassischer Methoden eine bedeutende Rolle. Die Röntgenangiographie, der Goldstandard bei endovaskulären Eingriffen, setzt ionisierende Strahlung ein und erfordert jodhaltige Kontrastmittel, die für Patient:innen mit Nierenfunktionsstörungen oder Kontrastmittelallergien problematisch sein können.

Hier setzt MPI an: Es ermöglicht eine Echtzeitbildgebung der Gefäße ohne ionisierende Strahlung und ohne nephrotoxische Kontrastmittel. Die in Würzburg eingesetzten Tracer, Perimag® und Resotran®, sind bereits für die Anwendung am Menschen zugelassen und erlauben eine klare Darstellung der Gefäße mit minimaler Dosis.

Wie unterscheidet sich MPI von anderen Bildgebungsverfahren

MerkmalMPIMRTCT / RöntgenPET
SignalquelleMagnetische Eisenoxid-Nanopartikel (Tracer)Wasserstoffkerne (Protonen) im KörperRöntgenstrahlenRadioaktive Marker (z.B. FDG)
StrahlungKeine ionisierende StrahlungKeine ionisierende StrahlungIonisierende StrahlungIonisierende Strahlung (Gamma-Strahlen)
VisualisierungVerteilung und Konzentration der TracerAnatomische Strukturen und GewebeAnatomische Strukturen und KnochenStoffwechselvorgänge (z.B. Tumore)
KontrastSehr hoher Kontrast zu umliegendem GewebeAbhängig von GewebeartAbhängig von GewebedichteAbhängig von Tracer-Verteilung
Zeitliche AuflösungSehr hoch (Echtzeit-Bildgebung)Variabel, meist langsamerSehr hoch (Schnellschuss möglich)Mittel bis langsam
MobilitätMobile Geräte möglichGroße, stationäre GeräteGroße, stationäre GeräteGroße, stationäre Geräte

Erstmals Anwendung in menschenähnlichem Modell

Der neue Scanner, entwickelt unter der Leitung von Dr. Patrick Vogel (Lehrstuhl für Experimentelle Physik V, Universität Würzburg) und Dr. Viktor Hartung (Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Würzburg), wurde in einem neuartigen Testsystem erprobt.

Dazu nutzte das Team drei menschliche Beine von Körperspendern, deren Oberschenkelarterien unter konstanter Perfusion mit einem MPI-Tracer versorgt wurden. Zeitgleich wurde eine digitale Subtraktionsangiographie (DSA) durchgeführt, um die Bildqualität zu vergleichen.

Das Ergebnis: Der MPI-Scanner lieferte klare, rauschfreie Bilder der Gefäße, die mit den DSA-Aufnahmen in ihrer Aussagekraft vergleichbar waren. Besonders hervorzuheben ist die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse: In allen drei Modellen waren die Resultate konsistent.

Ein Gewinn für Patienten und medizinisches Personal

Die Vorteile der strahlungsfreien Bildgebung sind offensichtlich. Gerade bei wiederholten Untersuchungen oder interventionellen Eingriffen unter Bildkontrolle summieren sich die Strahlendosen erheblich. MPI könnte dieses Problem dauerhaft lösen. Auch das medizinische Personal, das bei Röntgenverfahren einer chronischen Strahlenexposition ausgesetzt ist, würde profitieren.

Besonders für vulnerable Gruppen wie ältere Menschen, Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion oder Schwangere ist MPI eine vielversprechende Alternative. Die verwendeten Tracer weisen eine gute Biokompatibilität auf, werden über das retikuloendotheliale System (RES) abgebaut und haben ein niedriges allergenes Potenzial.

Der Weg zur klinischen Anwendung

Noch befindet sich MPI in der Übergangsphase von der präklinischen Forschung zur klinischen Anwendung. Der menschengroße Scanner ist ein Meilenstein, doch bis zur breiten Anwendung am lebenden Menschen sind noch regulatorische, technische und infrastrukturelle Hürden zu überwinden.

Ein entscheidender Vorteil gegenüber vielen anderen neuen Technologien ist jedoch, dass die eingesetzten Tracer bereits zugelassen sind. Das könnte die Einführung in den klinischen Alltag deutlich beschleunigen. Erste Tests an lebenden Patient:innen sind bereits in Planung.

Ersetzt MPI das Röntgen? Eine Einordnung

So vielversprechend die Technologie ist, MPI wird das Röntgen in absehbarer Zeit nicht vollständig ersetzen. Gerade in der Notfallmedizin, bei der schnellen Diagnostik von Knochenbrüchen oder in der Zahnmedizin bleibt das klassische Röntgen unentbehrlich. Auch wirtschaftliche Aspekte spielen eine Rolle: Röntgengeräte sind weltweit verbreitet, vergleichsweise günstig und gut in klinische Abläufe integriert.

MPI hingegen wird sich voraussichtlich zunächst als ergänzende Methode etablieren – insbesondere dort, wo Strahlenschutz oder Kontrastmitteltoxizität im Vordergrund stehen. In der interventionellen Radiologie, Onkologie oder kardiovaskulären Diagnostik könnte MPI mittelfristig eine echte Alternative darstellen.

Zukunftspotenzial von MPI

Langfristig bietet MPI ein erhebliches Innovationspotenzial:

  • Molekulare Bildgebung: Mit gezielt funktionalisierten Tracern lassen sich Tumormarker, Entzündungen oder Plaques spezifisch sichtbar machen.
  • Theranostik: Kombination von Diagnose und Therapie, etwa durch magnetische Hyperthermie.
  • Navigation bei minimalinvasiven Eingriffen: Katheter oder Stents, die mit magnetischen Partikeln beschichtet sind, könnten in Echtzeit verfolgt werden.
  • Hybridbildgebung: Kombination mit anderen Verfahren (z.B. MPI-MRT oder MPI-Ultraschall) zur Maximierung von Bildinformation und Sicherheit.

Fazit: Ein Meilenstein mit Weitblick

Die Entwicklung des menschengroßen MPI-Scanners in Würzburg markiert einen technologischen Durchbruch.

Auch wenn die Technologie das Röntgen nicht kurzfristig ablösen wird, könnte sie langfristig für viele Anwendungen die sicherere und effektivere Alternative darstellen.

Patienten mit speziellen Risikoprofilen, das medizinische Personal sowie die klinische Forschung würden von einer weiteren Etablierung erheblich profitieren.

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Quellen:

¹ Hartung, V., Gruschwitz, P., Augustin, A.M. et al. Magnetic particle imaging angiography of the femoral artery in a human cadaveric perfusion model. Commun Med 5, 75 (2025). DOI: https://doi.org/10.1038/s43856-025-00794-x
² Magnetic Particle Imaging | Experimentelle Physik V der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
³ Magnetpartikelbildgebung (MPI) – Universität Aachen

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