Meilenstein: Neuer Parkinson-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor dem Ausbruch

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Parkinson ist eine unheilbare neurodegenerative Erkrankung des Nervensystems, bei der Betroffene ein fehlgefaltetes Protein Alpha-Synuclein im Gehirnwasser aufweisen. Forschern ist es nun gelungen Alpha-Synuclein im Körper mittels Test nachzuweisen, wodurch die Parkinson-Krankheit möglicherweise viel früher erkannt werden kann, nämlich bereits bevor Symptome auftreten.

Der neue Test könnte eine frühe und genaue Diagnose und Behandlung der Erkrankung ermöglichen, bevor das Gehirn zu stark geschädigt ist, so das Fazit einer im Mai 2023 im Fachmagazin „The Lancet Neurology“ veröffentlichten Studie

Die Bedeutung des Proteins Alpha-Synuclein bei Parkinson Patienten

Das Protein Alpha-Synuclein spielt eine wichtige Rolle bei der Parkinson-Krankheit. Bei Parkinson-Patienten kommt es zu einer abnormen Ablagerung von Alpha-Synuclein in den Nervenzellen des Gehirns, die als Lewy-Körper bezeichnet werden. Bei Parkinson verklumpt im Gehirn das Protein Alpha-Synuclein und lagert sich ab.

Diese Ablagerungen können schließlich zu einer Fehlfunktion und zum Tod von Nervenzellen führen und zu den charakteristischen Symptomen der Parkinson-Krankheit führen, wie Tremor, Steifheit, Langsamkeit der Bewegung und Problemen mit der Koordination und Balance.

Das neue Verfahren, der sogenannte Alpha-Synuclein Seed Amplification Assay (SAA), ermöglicht den Nachweis des fehlgefalteten Proteins im Hirnwasser, was ein früher Hinweis auf eine sich anbahnende Parkinson-Erkrankung sein könnte.

Die genauen Mechanismen, durch die die Ablagerung von Alpha-Synuclein zu Nervenzellenschäden führt, sind noch nicht vollständig verstanden. Es wird jedoch vermutet, dass die Ablagerungen toxische Eigenschaften aufweisen, die zum Tod von Nervenzellen beitragen.

Durch die Entwicklung von Tests, die die Menge an Alpha-Synuclein im Körper messen können, kann die Parkinson-Krankheit möglicherweise früher erkannt werden, bevor Symptome auftreten. Dies könnte die Möglichkeit bieten, Therapien zu entwickeln, die den Verlauf der Krankheit verlangsamen oder stoppen können.

Test ermöglicht Nachweis, bevor das Gehirn geschädigt ist

Es gibt verschiedene Ansätze für den Alpha-Synuclein-Test, einschließlich Bluttests und Tests auf andere Körperflüssigkeiten wie Speichel und Gehirnflüssigkeit.

Ein vielversprechender Ansatz ist die Verwendung von speziellen Proteinen, sogenannte Anti-Synuclein-Antikörper, die spezifisch an Alpha-Synuclein binden können. Diese Proteine können dann in einer Probe gemessen werden, um das Vorhandensein von Alpha-Synuclein im Körper nachzuweisen.

An der multizentrischen weltweiten Studie, die von der Michael J Fox-Stiftung (Parkinson’s Progression Markers Initiative (PPMI)) gefördert wurde, waren Forschungsteams aus den USA, Israel und Deutschland (Kassel und Tübingen) beteiligt.

In der Studie wurden mit dem neuen Verfahren insgesamt 1123 Menschen mit diagnostizierter Parkinson-Erkrankung, häufigen Vorstadien der Erkrankung und gesunde Personen untersucht [1]. Über alle untersuchten Gruppen hinweg fand der Test das fehlgefaltete Protein bei 88 Prozent.

Bei Menschen mit einer Parkinson-Vorform hing die Trefferquote stark von der Symptomatik ab: Das Protein wurde bei 97 Prozent der Teilnehmenden mit beeinträchtigtem Geruchssinn nachgewiesen, aber nur bei 63 Prozent der Menschen mit REM-Traumschlafstörung.

Bei den meisten Teilnehmenden mit einer Parkinson-Vorform, bei denen das Protein im Hirnwasser nachgewiesen wurde, gab es aber noch keine Hinweise auf Veränderungen der Nervenzellen in der Substantia nigra.

Die Entdeckung fehlgefalteten Alpha-Synucleins im Nervenwasser könnte somit sehr früh auf die Entstehung einer Parkinson-Erkrankung hinweisen – eine Voraussetzung für den Einsatz neuer modifizierender Therapien in Therapiestudien.

Meilenstein für die Entwicklung von Biomarkern und Therapien

Bisher konnte das verklumpte Eiweiß zu Lebzeiten nicht nachgewiesen werden. Die Betroffenen kommen für die Diagnose erst dann in die Klinik, wenn sie die klassischen motorischen Symptome wie Bewegungsverlangsamung, Steifigkeit und Ruhezittern bemerken.

Zu diesem Zeitpunkt läuft der Erkrankungsprozess im Gehirn aber schon viele Jahre. „Wir sind also eigentlich zu spät mit der Diagnose, weil schon viele Nervenzellen untergegangen sind“, so Dr. Brockmann. „Wir können durch diesen Test nun direkt für jeden Patienten und jede Patientin individuell sagen, ob das verklumpte Alpha-Synuclein vorliegt. Damit wird nicht nur die Diagnosestellung, sondern auch die Planung von Parkinson-Studien und schlussendlich die Behandlung der Patienten deutlich verbessert. Der Test wird zukünftig sicher als Screening-Untersuchung genutzt werden“, so ihre Einschätzung.

Am besten gelingt der Test im Hirnwasser, doch es werden auch weniger invasive Analysen in Blut, Haut und Schleimhaut in Studien untersucht.

Derzeit ist der Test noch nicht so genau wie es gewünscht wäre, und es wird weiterhin daran gearbeitet, ihn zu optimieren.

Der Alpha-Synuclein-Test zur Vorhersage von Parkinson ist derzeit noch in der Entwicklung und wird noch nicht routinemäßig in der klinischen Praxis eingesetzt. Die Forschung zu diesem Test steht jedoch im Fokus und es wird intensiv daran gearbeitet, den Test zu verfeinern und zu validieren.

Die genauen Kosten und Durchführungszeiten für den Test sind noch nicht bekannt, da er noch nicht für den breiten Einsatz zugelassen ist. In der Regel können jedoch diagnostische Tests, insbesondere solche, die spezielle Antikörper verwenden, sehr aufwändig und teuer sein. Es ist jedoch zu hoffen, dass durch weitere Forschung und Innovationen in der Diagnostik das Verfahren in Zukunft kosteneffektiver und leichter zugänglich wird.

Die Entdeckung eines Alpha-Synuclein-Tests, der die Parkinson-Krankheit vor ihrem Ausbruch erkennen kann, ist jedenfalls ein bedeutender Fortschritt in der Diagnostik dieser Erkrankung. Die Identifizierung von Personen mit einem erhöhten Risiko, an Parkinson zu erkranken, könnte es Ärzten ermöglichen, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, um den Ausbruch der Krankheit zu verhindern oder zu verzögern.

Die Therapie von Parkinson ist derzeit auf die Behandlung der Symptome der Erkrankung beschränkt, da es keine Heilung für die Krankheit gibt. Wenn jedoch Patienten frühzeitig erkannt werden, könnten zukünftige Behandlungen darauf abzielen, das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen oder zu stoppen, bevor es zu schwerwiegenden Symptomen kommt.

Unterschiede bei Menschen mit genetischen Risikofaktoren bestätigt

Interessanterweise zeigen sich dabei im Hirnwasser bei Parkinson-Patient:innen mit genetischen Veränderungen je nach betroffenem Gen ganz unterschiedliche Profile.

So wiesen in einer Studie des an der Methodenentwicklung beteiligten Tübinger Forschungsteams 93 % der Parkinson-Patient:innen mit Mutationen im GBA-Gen ein klares Alpha-Synuclein-Profil auf, während dies in nur 78 % der Patient:innen mit Mutation im LRRK2-Gen zu finden war und Patient:innen mit zwei Mutationen in den Genen Parkin oder PINK1 gar kein fehlgefaltetes Alpha-Synuclein im Nervenwasser aufwiesen.

Diese Ergebnisse aus der deutschen Studie konnten nun so auch in der weltweiten PPMI-Studie bestätigt werden. „Die unterschiedlichen Sensitivitäten sind ein Hinweis auf die unterschiedlichen Wege, auf denen sich das fehlgefaltete Alpha-Synuclein im Nervensystem ausbreitet“, erklärt PD Dr. Kathrin Brockmann.

Somit eignet sich die (Nervenwasser-)Analyse mit diesem neuen SAA zur Identifizierung von Patienten mit fehlgefaltetem Alpha-Synuclein.

„Da es derzeit tatsächlich erste Studien mit Impfungen gegen fehlgefaltete Formen des Alpha-Synucleins gibt, ist es wichtig vorherzusagen, bei welchen Patienten fehlgefaltetes Alpha-Synuclein vorliegt, welches das Fortschreiten der Erkrankung treibt“, so Dr. Brockmann.

Ethische Bedenken berücksichtigen

Auch wenn es noch zu früh ist um die Validität und Umsetzbarkeit des neuen Tests final zu bewerten, so gilt es dennoch bereits jetzt bestimmte ethische Bedenken im Zusammenhang mit dem Einsatz des Alpha-Synuclein-Tests zur Vorhersage von Parkinson zu berücksichtigen:

  • Datenschutz: Der Test erfordert den Zugriff auf genetische und gesundheitsbezogene Informationen des Patienten. Es besteht das Risiko, dass diese Daten missbraucht oder unangemessen genutzt werden, wenn sie nicht ausreichend geschützt werden.
  • Diskriminierung: Wenn ein Testergebnis bekannt wird, könnte dies zu Diskriminierung bei der Arbeit oder in Versicherungsfragen führen. Arbeitgeber oder Versicherungsunternehmen könnten Personen mit einem erhöhten Risiko für Parkinson möglicherweise benachteiligen.
  • Psychologische Auswirkungen: Ein positives Testergebnis könnte zu Angst und Stress bei Personen führen, die ein erhöhtes Risiko für Parkinson haben. Dies könnte zu psychischen Belastungen führen, die schwerwiegende Auswirkungen auf das Wohlbefinden der betroffenen Personen haben könnten.
  • Fehlinterpretation: Der Test ist nicht zu 100% zuverlässig und könnte falsche Ergebnisse liefern. Eine falsche Diagnose oder ein falsches negatives Ergebnis könnte zu unnötigen medizinischen Behandlungen oder Verzögerungen bei der richtigen Diagnose und Behandlung führen.

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Quellen:

¹ Assessment of heterogeneity among participants in the Parkinson’s Progression Markers Initiative cohort using α-synuclein seed amplification: a cross-sectional study (Siderowf A et al. in Lancet Neurol. 2023 Ma-y;22(5):407-417.) https://doi.org/10.1016/S1474-4422(23)00109-6
² Association between CSF alpha-synuclein seeding activity and genetic status in Parkinson’s disease and dementia with Lewy bodies. (Brockmann K et al. in acta neuropathol commun 9, 175; 2021) https://doi.org/10.1186/s40478-021-01276-6
³ www.deutschesgesundheitsportal.de

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