In Österreich leben derzeit etwa 375.000 Menschen mit einer Krebsdiagnose, und die Zahl der Neuerkrankungen wird in den nächsten Jahren voraussichtlich weiter ansteigen. Jährlich gibt es etwa 42.000 neue Krebsfälle.
Dank moderner Krebstherapien wie Immun- und zielgerichteten Therapien gibt es jedoch immer mehr Hoffnung.
Diese Behandlungen können die Überlebenschancen deutlich erhöhen. Allerdings haben sie auch ihre Schattenseiten: Sie bringen teilweise ernsthafte Nebenwirkungen mit sich.
Deshalb ist es wichtig, diese frühzeitig zu erkennen und die Patientinnen und Patienten umfassend zu unterstützen. Das betont die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) anlässlich der Hormonwoche.
Immuntherapien: Das Immunsystem bekämpft nicht nur den Tumor
Bei der Immuntherapie wird das körpereigene Immunsystem aktiviert, um Krebszellen besser bekämpfen zu können.
Dies geschieht mithilfe von sogenannten Checkpoint-Inhibitoren – einer Art „Verstärker“ für das Immunsystem.
Diese Medikamente werden bei verschiedenen Krebsarten eingesetzt, wie zum Beispiel beim Lungenkrebs, Nierenkrebs oder Hodgkin-Lymphom.
Doch dieser Effekt hat auch Risiken: Das Immunsystem kann sich gegen den eigenen Körper richten. Dies führt zu sogenannten Autoimmunreaktionen, die sich in unterschiedlichen Formen zeigen können.
Laut Privatdozentin Dr. Birgit Harbeck, Expertin für Innere Medizin und Endokrinologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, entwickeln bis zu 96 Prozent der Patienten, die eine Immuntherapie erhalten, solche Nebenwirkungen.
Besonders häufig sind Hautreaktionen oder Magen-Darm-Beschwerden. Auch Hormondrüsen können betroffen sein – es kann beispielsweise zu Schilddrüsenentzündungen, einer Entzündung der Hirnanhangdrüse oder in seltenen Fällen sogar zu einem neu auftretenden Typ-1-Diabetes kommen.
Diese Nebenwirkungen sind ernst zu nehmen, da sie die Lebensqualität stark beeinträchtigen können und in manchen Fällen sogar lebensbedrohlich sind.
Nebenwirkungen zielgerichteter Therapien
Eine andere moderne Krebsbehandlung sind die sogenannten zielgerichteten Therapien. Diese wirken sehr präzise auf bestimmte Eigenschaften von Tumorzellen, um das Wachstum zu stoppen.
Dabei kommen sogenannte Tyrokinase-Inhibitoren zum Einsatz.
Tyrokinase-Inhibitoren sind eine spezielle Klasse von Medikamenten, die in der Krebstherapie eingesetzt werden, um das Wachstum von Tumorzellen zu stoppen. Sie wirken gezielt auf bestimmte Enzyme, die sogenannten Tyrosinkinasen, die eine Schlüsselrolle im Zellwachstum und in der Zellteilung spielen. Indem sie diese Enzyme blockieren, unterbrechen Tyrokinase-Inhibitoren die Signalwege, die das Wachstum und die Vermehrung von Krebszellen fördern.
Diese Medikamente kommen insbesondere bei Krebsarten zum Einsatz, die durch bestimmte genetische Veränderungen gekennzeichnet sind, wie etwa Lungenkrebs (insbesondere nichtkleinzelliger Lungenkrebs), Brustkrebs, Nierenzellkarzinom, gastrointestinale Stromatumoren (GIST) und chronisch myeloische Leukämie (CML).
Durch ihre gezielte Wirkweise verursachen Tyrokinase-Inhibitoren oft weniger Nebenwirkungen als herkömmliche Chemotherapien, können jedoch dennoch schwerwiegende Nebenwirkungen haben, insbesondere zu Störungen des Hormonhaushalts. Beispielsweise kann es zu einer Schilddrüsenunterfunktion oder Problemen mit dem Zuckerstoffwechsel kommen.
Entwickelt sich während der Therapie ein Diabetes mellitus, kann dieser schwerwiegende Folgen haben, bis hin zu einem tödlichen Verlauf.
Chemotherapie: Typische Nebenwirkungen bei häufigen Krebsarten
Auch klassische Chemotherapien, die oft bei häufigen Krebsarten wie Brust-, Lungen- oder Darmkrebs eingesetzt werden, können erhebliche Nebenwirkungen mit sich bringen.
Die häufigsten Nebenwirkungen sind Übelkeit, Haarausfall und eine geschwächte Immunabwehr, da auch gesunde Zellen in Mitleidenschaft gezogen werden. Darüber hinaus können auch das Herz, die Nerven oder die Nieren beeinträchtigt werden.
Besonders belastend sind die Auswirkungen auf das Immunsystem, da die Abwehrkräfte stark geschwächt werden können, was das Risiko für Infektionen erhöht.
Auch hier ist eine sorgfältige Überwachung durch die behandelnden Ärzte entscheidend, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen und den Patienten bestmöglich zu schützen.
Woran können Patienten Nebenwirkungen erkennen?
Nebenwirkungen treten häufig in den ersten Wochen oder Monaten nach Beginn der Therapie auf. Symptome wie starke Müdigkeit, ungewöhnlich starker Durst oder häufiges Wasserlassen sollten sehr ernst genommen werden.
Diese können auf eine Nebenniereninsuffizienz oder einen entgleisten Diabetes hinweisen, die sofort behandelt werden müssen.
Deshalb ist es wichtig, dass Patientinnen und Patienten gut über mögliche Nebenwirkungen ihrer Behandlung informiert sind. Auch eine regelmäßige Kontrolle durch den Arzt – insbesondere durch Bluttests – ist essenziell, um rechtzeitig reagieren zu können.
Zusammenarbeit zwischen Fachärzten ist entscheidend
Dank moderner Krebstherapien sind die Prognosen für viele Krebspatientinnen und -patienten heute deutlich besser als noch vor einigen Jahren.
Doch die komplexen Behandlungen erfordern eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachbereichen.
Um sicherzustellen, dass ernsthafte Nebenwirkungen frühzeitig erkannt und behandelt werden können, ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Onkologen und Spezialisten, zum Beispiel aus der Endokrinologie, unverzichtbar.
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Quellen:
¹ Targeted Cancer Therapies. (Smith CEP. et al. in Am Fam Physician. 2021 Feb 1;103(3):155-163.) PMID: 33507053
² Checkpoint inhibitors—the diagnosis and treatment of side effects. (Heinzerling L. et al. in Dtsch Arztebl Int 2019;116:119–26)
³ Risk and Incidence of Endocrine Immune-related Adverse Effects Under Checkpoint Inhiitor Mono-or Combination Therapy in Solid Tumors: A Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. (Vardarli L. et al. in J Clin Endocrinol Metab 2024;109:1132-1144)
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