Neue Ärzteausbildung ab 2015 – aber wer zahlen soll bleibt offen

Politik & Forschung

    Am 23.10.2014 passierte die Novelle des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes (KA-AZG), die die Neuregelung der Ausbildung von Fachärzten und Allgemeinmedizinern regeln soll, den Nationalrat. Das Mammutprojekt soll unter anderem Lehrpraxen bringen. Angepeiltes Inkrafttreten: 1. Juli 2015.

Statt bisher drei Jahren Turnus soll nun eine neunmonatige Basisausbildung her

Nach Abschluss des Medizinstudiums sollen alle angehenden Ärzte eine neunmonatige Basisausbildung im Krankenhaus absolvieren. Dabei sollen sie klinische Grundkompetenzen auf den Schwerpunktfachgebieten Chirurgie und Innere Medizin erwerben. Sie sollen damit befähigt werden, Notfallsituationen zu erkennen, Erstmaßnahmen zu setzen und Patienten mit vorhandenen Möglichkeiten zu versorgen, bis höherwertigere Hilfe möglich ist. Außerdem sollen die Jungärzte die 15 häufigsten Krankheiten erkennen lernen. Dazu zählen etwa Herz-Kreislaufstörungen, Depressionsstörungen, cerebrovasculäre Erkrankungen, Lungenkrebs, Alzheimer und Diabetes. Nach den neun Monaten muss man sich dann für eine Facharzt Ausbildung oder die Ausbildung zum Allgemeinmediziner entscheiden.

Notwendige Maßnahme gegen drohenden Ärztemangel

Thomas Szekeres, Chef der Wiener Ärztekammer, glaubt, dass mit den Maßnahmen zur neuen Ausbildung auch dem Ärztemangel, vor dem die Ärztekammer seit Jahren warnt, entgegengewirkt werden kann. Zwar gibt es in Wien derzeit 12.000 Ärzte, also zahlenmäßig genug, allerdings sind darin auch etliche Teilzeittätige enthalten. Das größere Problem aber sind die sinkenden Absolventenzahlen und die Abwanderung ‚fertig studierter’ Ärzte.

Als Indiz können die nicht mehr vorhandenen Wartezeiten auf einen Turnusplatz gelten. Gab es Anfang der 1990er-Jahre noch 20.000 Medizin Absolventen pro Jahr, sind es heute nur mehr 13.000, davon 20 Prozent EU-Bürger, der Großteil aus Deutschland. Das Verkruxte daran: Viele Deutsche studieren in Österreich, um dem Numerus Clausus in ihrer Heimat zu entgehen, kehren aber dann wieder nach Deutschland zurück. Andererseits studieren viele Österreicher zwar ‚zu Hause’, gehen für die weitere Ausbildung aber nach Deutschland und bleiben letztlich sehr oft auch dort.

Neben Deutschland ist vor allem die Schweiz begehrt. Dort können die Absolventen gleich mit der Facharztausbildung beginnen, was zwar in Österreich bisher theoretisch ebenfalls möglich war, aber praktisch kaum umgesetzt wurde, weil die meisten Spitäler den Turnus voraussetzten. Auch Bezahlung und Ausbildung sind in der Schweiz besser, zudem werden Anreize wie günstige Wohnungen gesetzt. Der Ärztemangel ist aber auch ein hausgemachtes Problem: Seit 2006 gibt es in Österreich Zugangsbeschränkungen für das Medizinstudium, hier könnte man mehr Studenten zulassen. Außerdem ist mit einer Pensionierungswelle in den nächsten Jahren zu rechnen: In einigen Fachbereichen wie Anästhesie, Psychiatrie und Pathologie gibt es jetzt schon einen „spürbaren Mangel“

Die zukünftige Ausbildung zum Allgemeinmediziner

Für den Allgemeinmediziner sind nach der neunmonatigen Basisausbildung weitere 27 Monate Ausbildung in einem Spital in verschiedenen Fachrichtungen ähnlich der bisherigen Turnusregelung vorgesehen. Neu ist allerdings, dass danach die Tätigkeit in einer Lehrpraxis für zumindest sechs Monate erfolgt. Nach sieben Jahren, also 2022, soll die Dauer der Lehrpraxis auf mindestens neun Monate und nach weiteren fünf Jahren auf zumindest 12 Monate ausgedehnt werden.

Die Gesamtdauer der Ausbildung zum Allgemeinmediziner verlängert sich somit stufenweise von 42 auf 45 bzw. 48 Monate. Dieses Stufenmodell diene vor allem der Evaluierung, sagt man im Gesundheitsministerium, in Wahrheit ist das Stufenmodell aber ein Kompromiss zwischen Ex Gesundheitsminister Stöger, der für eine sechsmonatige Lehrpraxis plädierte und der Ärztekammer, die 12 Monate präferierte. Die neue Ausbildung kann in anerkannten Lehrpraxen, Lehrgruppenpraxen oder Lehrambulatorien erfolgen.

Die Facharztausbildung

Für den Facharzt sieht das neue Modell nach neun Monaten Basisausbildung ebenfalls zwei weitere Abschnitte vor. Zunächst soll es eine fachspezifische Grundausbildung im Sonderfach (Sonderfach-Grundausbildung) in der Dauer von zumindest 15 Monaten und anschließend eine Schwerpunktausbildung (Sonderfach-Schwerpunktausbildung) in der Dauer von zumindest 27 Monaten geben. Pro Sonderfach sollen maximal sechs Module zu bestimmten Fachinhalten für die Schwerpunktausbildung zur Wahl stehen; Additivfächer werden in die Ausbildung integriert. Mit diesem Modulsystem für einzelne Erkrankungen will man von der reinen Rotation durch die Abteilungen wegkommen und den Fokus stärker auf Spezialisierungen legen.

Das neue Arbeitszeitgesetz für Ärzte

Ein heißes Eisen sind die Dienstzeiten. Seit gut einem Jahrzehnt kritisiert die EU die geltenden Ärztearbeitszeiten in Österreich. Nun wird von 72 möglichen Wochenstunden schrittweise auf eine 48 Stunden Woche reduziert. Bis 2021 können sich Ärzte aber verpflichten, weiterhin Mehrstunden zu leisten: Wenn eine einschlägige Betriebsvereinbarung vorliegt, kann der einzelne Arzt auf die Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeitbeschränkung verzichten, also ein sogenanntes „Opt-Out“ vornehmen.

Und diese Möglichkeit wird voraussichtlich auch breit angenommen werden, hängt doch ein großer Teil des Gehalts der Ärzte von diesen Mehrstunden ab. Lediglich die Steiermark hat sich hier zu einer Lösung durchringen können, wo der zu befürchtende Dienstentfall der Ärzte zunächst vom Land übernommen wird – aus welchem Topf hier allerdings gezahlt werden wird, ist auch hier noch ungeklärt.

Zweites heißes Eisen: Die Bezahlung während der Lehrpraxenzeit

Die Fördersumme des Bundes bleibt mit jährlich 860.000 Euro gleich. Länder und Kassen legen, je nach Land, noch etwas drauf, und auch die Lehrpraxenbetreiber könnten mitzahlen müssen. Eventuell könnte eine Regelung wie bei dem Vorarlberger Modell, das seit 1. Juli 2014 läuft, ein Beispiel sein: Die Lehrpraktikanten bleiben im Anstellungsverhältnis mit dem Krankenhaus, sie arbeiten vier Tage bei einem niedergelassenen Allgemeinmediziner, der Rest der Dienstzeit (z.B. Nachtdienste) wird im Spital abgeleistet. Die Bezahlung wird zwischen Land, Bund, Gebietskrankenkasse, Ärztekammer und Lehrpraxisinhabern aufgeteilt: Den größten Anteil zahlt das Land Vorarlberg mit 37 Prozent, 30 Prozent übernimmt der Bund und je 16,5 Prozent Sozialversicherungen und der jeweilige Arzt.

Fazit

Viele gute Ideen, längst überfällig aber doch auch wieder unausgegoren und das Grundproblem der heimischen Gesundheitspolitik: zuviele Player, zuviele potentielle Zahler und kein Letztverantwortlicher. Egal ob Lehrpraxis, neues Arbeitszeitgesetz oder Gratiszahnspange – offen bleibt, wer das letztlich alles bezahlen soll.

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