Die Plattform Medizin-transparent.at der Donau-Universität Krems analysierte den Wahrheitsgehalt von 990 Medienartikeln – und kam auf erschreckende Ergebnisse: 89 Prozent aller Gesundheitsnews ’stimmen nicht‘.
Klassische Medien und Gesundheitsthemen
„Grüner Tee schützt vor Krebs“, „Schlafmangel verursacht Übergewicht“ – Schlagzeilen wie diese halten oft nicht ein, was sie versprechen. WissenschaftlerInnen der Donau-Universität Krems zeigen in einer kürzlich veröffentlichten Studie, wie wenig faktenbasiert österreichische Medien zu Gesundheitsthemen berichten. Die Wahrheit, die ‚ganze Wahheit‘ und ’nichts als die Wahrheit‘ wird nur selten berichtet:
60 Prozent der Medienartikel sind stark übertrieben, nur 11 Prozent berichten korrekt. Dabei gibt es nur wenige Unterschiede zwischen einzelnen Medien.
„Gesundheitsjournalismus ist in schlechter Verfassung“
„Der Gesundheitsjournalismus in Österreich ist in schlechter Verfassung“, resümiert Gerald Gartlehner, Professor für Evidenzbasierte Medizin an der Donau-Universität Krems, die Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten Studie.
Für die Faktencheck-Plattform „Medizin-Transparent“ analysierte sein Team den Wahrheitsgehalt von 990 Medienartikeln zu Gesundheitsthemen. Die WissenschaftlerInnen überprüften Print- und Web-Artikel in relevanten österreichischen Tageszeitungen, Wochenmagazinen und Online-Medien.
60 Prozent der Artikel berichten stark übertrieben über die Wirksamkeit von Behandlungen und Medikamenten oder die Aussagekraft von Studien. Lediglich 11 Prozent der analysierten Artikel stimmen mit der aktuellen wissenschaftlichen Studienlage überein.
„Die Studienergebnisse sind ernüchternd und bestätigen die Wichtigkeit von unabhängigen Stellen mit objektiver Information wie medizin-transparent.at. Denn Laien können nicht abschätzen, ob das was in der Zeitung oder im Internet steht, auch tatsächlich der Wahrheit entspricht. Der Faktencheck durch medizin-transparent.at zeigt, was wirklich hinter diesen Schlagzeilen steckt “, so Landeshauptmann-Stellvertreter und -Vorsitzender des Niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds NÖGUS, Mag. Wolfgang Sobotka.
Geringe Unterschiede zwischen einzelnen Medien
Printmedien berichten genauso häufig übertrieben wie Nachrichtenseiten im Internet. Langmeldungen verzerren die Fakten genauso oft wie Kurzmeldungen. Boulevard-Zeitungen haben mit 64 Prozent zwar den größten Anteil an stark übertriebenen Artikeln, bei Qualitätszeitungen sind es jedoch mit 52,4 Prozent nur unwesentlich weniger.
Themen, die am häufigsten falsch berichtet werden
An der Spitze der Realitätsverzerrung mit 97,6 Prozent stehen Artikel zu kosmetischen Behandlungen oder Methoden zur Gewichtsreduktion. Behauptungen wie leichtes Frieren würde das Gewicht reduzieren, Coenzym Q10 könne die Haut verjüngen oder Cremes und enge Kleidungsstücke Cellulite bekämpfen sind wissenschaftlich nicht belegt.
70,5 Prozent der Medienmeldungen zu angeblich gesundheitsfördernden Wirkung von Nahrungsergänzungsmitteln und Behandlungen, die auch Nicht-MedizinerInnen vornehmen dürfen sind stark übertrieben. Die Palette reicht von elektromagnetischen Wundergeräten oder Nahrungsergänzungsmitteln zur Therapie von Gelenksbeschwerden bis zu Wandfarben, die angeblich Allergien bessern.
Ebenso bedenklich:41,1 Prozent der Behauptungen zur Wirkung zulassungspflichtiger Medikamente und Behandlungen, die nur durch Ärzte durchgeführt werden dürfen, sind stark übertrieben.
Zeitmangel als Grund für Medienübertreibungen
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die meisten Medien PR-Meldungen von kommerziellen Anbietern weitgehend ungeprüft übernehmen“, so Bernd Kerschner, Hauptautor der Studie. „Dass Anbieter von Medikamenten, Nahrungsergänzungsmitteln und medizinischen Behandlungen die Fakten zu ihren Gunsten übertreiben, sollte jedoch nicht verwundern,“ – und hinterfragt werden.
Tatsächlich zeigt eine französische Untersuchung, dass übertriebene Presseaussendungen in vielen Fällen auch zu übertriebenen Medienberichten führen. „Viele Journalisten haben zu wenig Zeit für eine tiefgehende Recherche und sind davon abhängig, verlässliche Informationen von vertrauenswürdigen Quellen zu bekommen.“
Über Medizin-Transparent.at
Der Online-Service Medizin-Transparent.at überprüft Gesundheitsmythen aus Medien, Werbung und dem Internet auf ihren wissenschaftlichen Wahrheitsgehalt. Die seit 2011 existierende Plattform beantwortet auch Leseranfragen. Oberstes Ziel ist es, eine wissenschaftlich fundierte, von der Gesundheitsindustrie unbeeinflusste Informationsquelle zu medizinischen Fragen zu bieten.
Dahinter steht die an der Donau-Universität Krems ansässige Organisation Cochrane Österreich, eine Zweigstelle der internationalen Non-Profit-Vereinigung unabhängiger, kritischer Mediziner. Gefördert wird Medizin-Transparent.at vom Niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds sowie der Bundesgesundheitsagentur.
Linktipps:
- Plattform Medizin transparent
- Die Machenschaften der Pharmaindustrie – neues Buch über das Geschäft mit der Gesundheit
- Studie: Wie evidenzbasiert berichten Print- und Online-Medien in Österreich?
- Evidenzbasierte Medizin – Cochrane Tagung
- Donau Universität Krems – Department evidenzbasierte Medizin
- Böse Gluten? Warum der Verzicht auf Getreideeiweiß nichts bringt.