Überhöhter Zuckerkonsum führt zu Übergewicht, Diabetes und Fettleber. Dies sind weder neue noch überraschende erkenntnisse, doch die Dimension des Problems nimmt immer beängstigendere Ausmaße an.
Deshalb wird der aktuelle Diskurs über die Reduktion von Zucker in Lebensmitteln und Getränken der Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) sehr positiv gesehen, denn es gibt viel zu viele und bereits sehr junge Menschen, die gefährdet sind – besonders Jugendliche mit niedrigem sozioökonomischen Status.
Leistbare, zuckerreduzierte Lebensmittel müssen für die gesamte Bevölkerung leicht zugänglich sein. Aufklärung und die Unterstützung gesünderer Alternativen sind ein Auftrag für die gesamte Gesellschaft.
„Süß“ ist in unserer Sprache ein positives Wort mit vielen schönen Bedeutungen. Wenn es ums Essen und Trinken geht, müssen wir aber leider auf österreichisch von „picksüß“ sprechen. Zucker findet sich nicht nur im Würfelzucker sondern in fast allen Speisen und Getränken. Und dies in einem deutlich überhöhten Ausmaß und mit erschütternden Folgen: 50–60 % aller ÖsterreicherInnen sind übergewichtig. Dieser Anteil steigt jährlich!
„Unser Lebensstil macht uns krank. Zu energiereiche Ernährung ist mit mangelnder Bewegung einer der Hauptauslöser von Stoffwechselerkrankungen“ betont der Präsident der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, Univ.-Prof. Dr. Hermann Toplak, von der Ambulanz für Lipidstoffwechsel der Universitätsklinik für Innere Medizin der Medizinischen Universität Graz. „Zucker ist pure Energie und wir nehmen viel zu viel Energie auf, die wir nicht verbrennen, da wir uns nicht genug bewegen.“
Mit Zucker gesüßte Lebensmittel tragen durch ihre Wirkung auf den Blutzuckerspiegel und ihrem gleichzeitig geringen Sättigungspotenzial zu Übergewicht und Insulinresistenz (einer Vorstufe des Typ 2 Diabetes) bei. Zum Beispiel wurde in den letzten Jahren der starke Zusammenhang zwischen dem Konsum von sogenannten Softdrinks und der Entstehung von Übergewicht, Adipositas und Diabetes eingehend untersucht und bewiesen.
Von Kindesbeinen an auf „Süßes“ konditioniert
Die Gewöhnung an zu viel Süßes ist speziell bei Kindern ein unterschätztes Thema. In der Zeit, in der sich der persönliche Geschmack bildet, werden Kinder mit Lebensmitteln konfrontiert, die mehr Zucker enthalten als ihnen gut tut und sie erwarten dann von jeder weiteren Nahrung und jedem weiteren Getränk die gleiche Zuckerüberdosis.
Alarmierende Zahlen aus Tirol
Dir. Prim. Univ.-Prof. Dr. Friedrich Hoppichler, Vorstand der Abteilung für Innere Medizin am akademischen Lehrkrankenhaus Barmherzige Brüder Salzburg, Vorstandsmitglied der Österreichischen Adipositas Gesellschaft (ÖAG) sowie der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) und Vorstand des Instituts SIPCAN berichtet: „Eine aktuelle Studie von SIPCAN in Tirol hat ergeben, dass bereits 30 Prozent der 14-Jährigen übergewichtig oder sogar adipös sind.“
Sozialer Status bestimmt das Ernährungsverhalten
In dieser SIPCAN Studie wurden auch die Ernährungsgewohnheiten der Jugendlichen erfragt. Und nach Geschlecht, bestehendem Migrationshintergrund und sozialem Status aufgeschlüsselt. Mädchen haben mit 62 Prozent deutlich öfter ein gesundheitsförderndes Ernährungsverhalten als Burschen mit 43 Prozent.
Energiereiche Ernährungsmuster, die Stoffwechselkrankheiten auslösen können, sind bei Kindern mit Migrationshintergrund mit fast 60 Prozent häufiger als bei Kindern ohne Migrationshintergrund.
Die größte Abweichung zeigt sich aber beim Sozialen Status: Von den Jugendlichen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status haben nicht einmal 10 Prozent ein gesundheitsförderndes Ernährungsmuster, während mehr als die Hälfte ihrer Altersgenossen mit mittlerem und hohem sozioökonomischen Status gesund isst.
Aufklärungsarbeit in der Schule wirkt
„Die gute Nachricht ist: Das Verhalten von Jugendlichen kann mit erprobten Methoden wie dem Trink- und Jausenführerschein positiv beeinflusst werden“, ergänzt Hoppichler.
„Die Initiative SIPCAN hat mit dem Trink- und Jausenführerschein ein Modulset mit Unterlagen für Kinder, Eltern und PädagogInnen für den Biologieunterricht der 5. Schulstufe entwickelt, um das Ernährungswissen und -verhalten zu verbessern. Die Evaluierung dieser Maßnahme zeigt die Wirkung sowohl im Wissen als auch im Handeln. So essen die Kinder nach der Teilnahme zum Beispiel nicht nur weniger Süßigkeiten sondern trinken auch weniger Limonade als vor dem Programm.“
Leistbare, zuckerreduzierte Lebensmittel sind nötig
„Wenn Armut und Bildungsferne krankmachen, besteht Handlungsbedarf“, erklärt Toplak. „Neben Information über gesundheitsfördernde Ernährung ist auch der Zugang zu entsprechenden Lebensmitteln ein Thema. Jede Reduzierung des Zuckergehalts in Lebensmitteln ist demnach zu unterstützen.
Schrittweise Reduzierungen haben den Vorteil, dass sich die Geschmacksnerven daran gewöhnen. Es darf dabei aber nicht nur um hippe Lifestyle-Lebensmittel gehen, denn die freie Wahl zwischen Zuckerbomben und zuckerreduzierten Produkten hat leider viel zu oft nur der, der sich auch die zuckerreduzierte Variante leisten kann.“
Fructose ist NICHT gesünder
Lange Zeit galt Fructose als gesündere Form von Zucker, weil sie zu einer geringeren Insulinausschüttung führt. Das ist leider nur die halbe Wahrheit. Die Kehrseite ist, dass Fructose gleichzeitig die Ausschüttung des Hormons Leptin hemmt.
Leptin ist für unser Sättigungsgefühl verantwortlich. Dadurch essen wir von Nahrungsmitteln mit Fructose automatisch mehr, bis wir uns satt fühlen und nehmen damit natürlich auch mehr Fructose zu uns.
Zu viel Fructose kann wiederum zu einer nichtalkoholischen Fettleber führen, weil sie zum größten Teil in der Leber abgebaut wird. Fructose ist also ganz und gar nicht gesünder. Gesundheitliche Vorteile bringt nur die generelle Reduktion von Zucker.
Fett führt zu Zucker(krankheit) und Zucker zu Fett(leber)
Auf zellulärer Ebene entsteht eine Fettlebererkrankung auf Grund einer Störung des Fettsäure- und Triglyceridstoffwechsels der Leberzelle. Der Stoffwechsel des Menschen speichert überschüssige Energie, sprich ein Zuviel an aufgenommener Nahrung, als Körperfett. Dieses Körperfett wird unter anderem auch in der Leber gespeichert.
Das Tückische an der Nichtalkoholischen Fettleber (NAFLD) ist, dass sich Adipositas-bedingte Insulinresistenz und NAFLD-bedingte Insulinresistenz gegenseitig verstärken und zu einer manifesten Störung des Zuckerstoffwechsels führen können, oder diesen weiter verschlechtern.
Dazu kommt, dass Diabetiker sehr viel häufiger von der Fettleber betroffen sind. Wir können nicht immer mit Sicherheit sagen, was zuerst da war, die Insulinresistenz oder die Fettlebererkrankung, aber wir wissen, dass sich die beiden gegenseitig begünstigen.
Die Folgen der Fettleber
Die NAFLD ist Ursache für eine Reihe von sehr ernsthaften Folgeerkrankungen. Dazu zählen die Nichtalkoholische Leberentzündung (Steatohepatitis), Leberzirrhose und Leberkrebs.
Sie gilt als Lebermanifestation des metabolischen Syndroms und ist mitverantwortlich für erhöhte Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiken durch Stoffwechselkomplikationen wie Insulinresistenz bzw. Typ 2 Diabetes oder Fettstoffwechselstörungen.
Durch die steigende Anzahl an übergewichtigen und adipösen Menschen in Österreich und die zunehmende Alterung der Gesellschaft, nimmt auch die Zahl der NAFLD-PatientInnen zu.
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Quellen:
Österreichische Diabetes Gesellschaft
SIPCAN (Special Institute for Preventive Cardiology And Nutrition)
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