Menschen mit seltenen Erkrankungen leiden oft jahrelang, ohne dass Ihre Krankheit diagnostiziert wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass Ärzte nicht oft mit seltenen Krankheiten konfrontiert sind und nicht alle seltenen Krankheiten sind offensichtlich. Betroffene sind oft lange Zeit weitgehend auf sich alleine gestellt, bis sie auf einen Mediziner stossen, der ihrem Leiden eine Diagnose geben kann. Das heißt aber noch lange nicht, dass auch mit einer Therapie begonnen werden kann. Denn für viele seltene Erkrankungen gibt es schlichtweg noch keine Therapiemöglichkeiten.
Die Pharmaindustrie hat kein großes Interesse an seltenen Krankheiten, stehen die Entwicklungskosten entsprechender Medikamente doch meist kaum in einer wirtschaftlich attraktiven Korrelation zu den zu möglichen Profiten. Aber manches ist Dank toller Initiativen in den letzten Jahren in Bewegung gekommen.
Was sind seltene Krankheiten
In der EU werden seltene Erkrankungen über ihre Häufigkeit definiert. Eine Krankheit gilt als selten, wenn nicht mehr als fünf von zehntausend Einwohnern, also fünf Promille, an dieser Krankheit leiden. Doch „Seltene Erkrankungen“ umfassen ca. 7000 unterschiedliche Krankheitsbilder, was nichts anderes bedeutete, als insgesamt rund 7 Prozent Betroffene. In Österreich schätzt man die Anzahl der Menschen mit seltenen Krankheiten auf ca. 450.000.
Epidermolysis bullosa, Klinefelter und Angelman Syndrom, Mukopolysaccharidosen, Lungenhochdruck,… manche Krankheiten sind chronisch, manche lebensbedrohend, manche offensichtlch, manche werden erst im Erwachsenenalter diagnostiziert. Seltene Krankheiten sind ein Sammelbegriff für so viele Leiden und doch tritt jedes einzelne davon so so selten auf, dass ein praktischer Arzt höchstens einmal pro Jahr mit ihm konfrontiert ist. Bis zur richtigen Diagnose vergehen im Schnitt etwa drei Jahre, in denen Patienten oft auf Unverständnis stoßen und nicht selten als Hypochonder abgestempelt werden.
Mit dem Internet und den entsprechenden Recherchemöglichketen ist es für Betroffene einfacher geworden zur Selbsthilfe zu schreiten – zumindest was die Diagnose betrifft. Selbsthilfegruppen und Patientenorganisationen ermöglichen Erfahrungsaustausch und Wissenweitergabe, wie sie vor knapp zwei Jahrzehnten nicht ansatzweise möglich war. In Österreich gibt es rund 60 dieser Gruppen, deren Mitglieder – Betroffene und Angehörige – mit großem Engagement daran arbeiten, Informationen weiterzugeben, Erfahrungen aus zu tauschen und und sich gegenseitig zu unterstützen.
Prorare Austria
Pro Rare Austria versteht sich als Allianz für seltene Erkrankungen. Der österreichische Dachverband wurde Ende 2011 als gemeinnütziger Verein von unmittelbar Betroffenen und Eltern betroffener Kinder gegründet. Ziel des Vereins ist es, als Sprachrohr auf die spezielle Situation Betroffener aufmerksam zu machen. Soziale und medizinische Rahmenbedingungen sind in vielerlei Hinsicht verbesserungswürdig, und dafür zu arbeiten und Bewußtsein zu schaffen, hat sich der Verein zum Ziel gesetzt.
Doch es geht nicht nur um Diagnose und Therapie, sonder auch ganz konkret um die Verbesserung der Lebensumstände Betroffener. Wenn eine Krankheit rechtlich anerkannt ist, kann das z.B. zur Befreiung von Gebühren, Behandlungs- und Medikamentenkosten führen. Auch die Möglichkeit Pflegegeld beziehen zu können, bzw. Pflegeurlaub zu nehmen, kann mit der ‚Anerkennung‘ eines Leidens als ‚Krankheit‘ verknüpft sein.
Solange es keinen dauerhaften rechtlichen Status für Betroffene gibt, müssen sie z.B. regelmäßig zu amtsärztlichen Untersuchungen erscheinen. Abgesehen von der Krankheit an sich, erschweren weite Anfahrtswege zu – wenn überhaupt verfügbar – Therapieeinrichtungen und hohe Behandlungskosten, ein normales Leben. Normale Erwerbstätigkeit, auch für Angehörige, ist in vielen Fällen nicht möglich.
Forderungen von Prorare:
- freier Zugang zu medizinischen Untersuchungen sowie medizinischen und anderen therapeutischen Behandlungen österreichweit und, falls nicht entsprechend vorhanden, EU-weit
- die Einführung österreichweit einheitlicher Regelungen für Pflege, Pflegeunterstützung und Kinderbetreuung
- Verbesserung der medizinisch-klinischen Versorgung der von seltenen Erkrankungen Betroffenen durch Errichtung bzw. Auswahl von Expertisezentren
- Verbesserung der Diagnostik von seltenen Erkrankungen
- Förderung der Forschung im Bereich seltene Erkrankungen
- Anerkennung der Leistungen und Förderung der Selbsthilfe
„orphan drugs“
Pharmaunternehmen investieren aus wirtschaftlichen Gründen kaum in die Erforschung und Entwicklung von Medikamenten für ’seltene Krankheiten‘ – daher der treffende Ausdruck „orphan drugs“, bzw. verwaiste Medikamente. Eine Forderung von Prorare ist es daher auch, dass die Politik mit Anreizen die Erforschung, Entwicklung und Zulassung entsprechender Medikamente vorantreibt.
Tatsächlich gibt es bereits Staaten, die Gesetze erlassen haben, um die Erforschung von „orphan drugs“ zu fördern. Auch auf EU Ebene gibt es Bemühungen, grenzüberschreitende Strategien zu entwickeln und Synergieeffekte zu nutzen. Das internationale Portal Orphanet will Diagnose, Versorgung und Behandlung von Patienten mit seltenen Krankheiten verbessern. Zudem bietet das Portal eine Reihe von frei zugänglichen Serviceleistungen:
- Verzeichnis und Klassifikation aller bekannten seltenen Krankheiten
- mehrsprachige Enzyklopädie für seltene Krankheiten
- Verzeichnis der Orphan Drugs in deren verschiedenen Zulassungsstadien
- Verzeichnis von Spezialambulanzen, medizinischen Labors, laufenden Forschungsprojekten und klinischen Studien
- Registern, Biobanken, Technologieplattformen sowie Netzwerken und Patientenorganisationen
- Diagnostik-Tool für die Diagnosensuche mittels Eingabe von Symptomen
- Empfehlungen und Leitlinien für Notfallmedizin und Anästhesie
- den Newsletter OrphaNews
Die österreichische Orphasite informiert zudem spezifisch über österreichrelevante Neuigkeiten und regionale Veranstaltungen.
Fakt ist, dass es für Betroffene und Angehörige in den letzten Jahrzehnten durch die Vernetzung im WorldWideWeb zu massiven Verbesserungen gekommen ist, was die Möglichkeiten der Diagnose betrifft. Auch bezüglich Therapien ist der Erfahrungaustausch eine wertvolle Unterstützung bei der Erforschung der Möglichkeiten. Bleibt zu hoffen, dass auch Politik, bzw. Pharmaindustrie sich verstärkt der Thematik annehmen und auch die Therapieangebote breiter werden.
————-
Quelle:
Linktipps:
- U-Boot Krankheiten
- Morbus Fabry – seltene genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung
- Morbus Gaucher (Gaucher Syndrom), seltene Stoffwechselerkrankung
- Rosacea – die unbekannte Hautkrankheit
- Komplizierte Beipackzettel: Informationen zu Nebenwirkungen verwirren Patienten