Seit Jahren steigt die Zahl der sogenannten Dampfer, also Menschen, die E-Zigaretten bzw. E-Shishas (sogenannte Verdampfer, Vaporizer) konsumieren. Über die gesundheitlichen Auswirkungen derartiger E-Zigaretten wird kontrovers und heftig diskutiert. Für die Gegner sind sie eine Einstiegsdroge, für Befürworter ein taugliches Mittel zur Raucherentwöhnung. Das Problem an der Diskussion ist die dünne Studienlage, das soll sich aber nun mit einer öffentlich finanzierten Studie eines Schweizer Uni-Konsortiums endlich ändern.
Um nicht Äpfel und Birnen zu vermischen, präzisiert Prof. Dr. Reto Auer, Leiter Forschung am Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM) der Universität Bern, was genau untersucht wird und was nicht. Gerade bei Verdampfern gibt es sehr viele unterschiedliche Systeme, vor allem aber gibt es welche bei denen Nikotin inhaliert wird und welche, bei denen kein Nikotin sondern „nur“ Aromastoffe und Wasserdampf inhaliert wird.
Die Forscher der Studie – unter anderem vom Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM), dem Inselspital, Universitätsspital Bern und die Universitäten Lausanne und Genf – wollen herausfinden, ob Verdampfer (Vaporizer), mit denen Nikotin inhaliert wird, sich zur Rauchentwöhnung eignen, und welche Auswirkungen sie auf die Gesundheit haben. Die grossangelegte Studie soll erstmals Resultate zu einem umstrittenen und unzureichend erforschten Thema liefern.
Was sind Verdampfer?
Als Verdampfer werden in diesem Zusammenhang Geräte bezeichnet, die mit einem Mundstück, einem Akku, einem elektrischen Verdampfer und einem Behälter mit der zu verdampfenden Flüssigkeit, „Liquid“ genannt, ausgestattet sind. Diese wird beim Ziehen am Mundstück erhitzt oder vernebelt und dann inhaliert. Es gibt Liquids mit und ohne Nikotin.
Der erste kommerziell erfolgreiche Verdampfer wurde in China von Hon Lik, einem 52-jährigen Apotheker – und Raucher – im Jahr 2003 hergestellt. Berichten zufolge hat er das Gerät entwickelt, nachdem sein Vater, ebenfalls ein starker Raucher, an Lungenkrebs gestorben ist. Die ersten Alternativen zu Tabakzigaretten, die als weniger schädlich galten, wurden aber schon in den 60er Jahren patentiert. Seit einigen Jahren gibt es eine explosionsartige Entwicklung, mit Tausenden von Modellen, die auf einem sehr kompetitiven Markt lanciert werden.
Warum sind Verdampfer so schlecht erforscht?
Hersteller von Vaporizern müssen keine wissenschaftlichen Studien durchführen, um die Wirksamkeit und Sicherheit ihrer Produkte vor der Vermarktung zu prüfen. Vaporizer werden hauptsächlich in China in unregulierten, hart umkämpften Märkten entwickelt, produziert und verkauft. Der Wettbewerb im Markt hält den Preis von Vaporizern niedrig. Unternehmen, die Vaporizer herstellen, sind möglicherweise nicht interessiert oder haben keine finanziellen Mittel, um in grosse Studien, welche die Effektivität und Sicherheit von Vaporizern prüfen, zu investieren.
E-Zigaretten: Mehr Schaden als Nutzen?
Während die Studienlage zum Thema insgesamt recht dünn ist, widersprechen sich die zwei jüngsten Studien in wesentlichen Punkten. Während eine Studie der US Dartmouth Universität zum Ergebnis kommt, dass E-Zigaretten der Gesamtbevölkerung mehr schaden als nutzen dürften, kommt eine internationale Studie veröffentlicht im Jänner 2018 zu einem ganz anderen Ergebnis. Demnach könnten E-Zigaretten bis zum Jahr 2100 bis zu 6,6 Millionen Menschenleben retten, selbst im pessimistischen Szenario würde es – so die Schätzungen des internationalen Teams von Krebsforschern – noch 1,6 Millionen Todesfälle weniger geben.
Dazu meint Reiner Hanewinkel, Leiter des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung: „Derartige Modelle stehen und fallen natürlich mit den Annahmen, die ihnen zugrunde liegen. Daher ist genau zu prüfen, ob die Annahmen den derzeitigen Wissensstand der Wissenschaft gut widerspiegeln.“
Dies wollen die Forscher der aktuellen Schweizer vermeiden: „Die Resultate unserer Studie sollen Konsumierenden, Gesundheitsfachpersonen und der Politik unabhängige und fundierte Informationen zur Wirksamkeit und Sicherheit von Verdampfern liefern. Die Studie soll zeigen, ob sich Verdampfer zur Rauchentwöhnung eignen und damit Raucher-assoziierte Erkrankungen und Folgekosten für das Gesundheitswesen reduziert und langfristig etliche Leben gerettet werden könnten.“ meint Reto Auer vom Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM).
Warum sind Vaporizer umstritten?
Darauf antwortet Auer: „Rauchen ist die häufigste vermeidbare Todesursache in der Schweiz. In unserer Praxis haben wir häufig mit Raucherinnen und Rauchern zu tun, die finden, dass ihnen der Vaporizer bei der Rauchentwöhnung hilft und dass ihr Konsum mit weniger gesundheitlichen Folgen verbunden sei, als wenn sie Zigaretten rauchen. Die Positionen der Gesundheitsfachleute und Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger der Politik gegenüber Verdampfern sind aber kontrovers: Einige vertreten die Ansicht, dass diese als sichere Alternative zum konventionellen Tabakrauchen aktiv angepriesen werden sollten; andere sind der Meinung, dass man von deren Gebrauch abraten sollte, da sie gesundheitsschädlich sein könnten und nicht zum Rauchstopp beitragen.“
Die Schweizer Forscher wollen überprüfen, ob mit Hilfe von Verdampfern ein totaler Rauchstopp erreicht oder die Anzahl gerauchter Zigaretten gesenkt werden kann. Erste Studien sprechen dafür, sind jedoch aufgrund kleiner Fallzahlen noch wenig aussagekräftig. Zur Sicherheit der Verdampfer gibt es bisher kaum kontrollierte Studien. Deshalb werden wir auch allfällige Nebenwirkungen erfassen, um die Sicherheit der Verdampfer zu beurteilen. Schliesslich werden wir auch krebserregende Stoffe im Urin messen, um mögliche Spätfolgen des Vaporizerkonsums abschätzen zu können. Dabei werden rund 1200 Raucherinnen und Raucher, die einen Rauchstopp anstreben, über sechs Monate begleitet.
Studie untersucht Tauglichkeit von Verdampfern zur Raucherentwöhnung
Im Rahmen einer randomisierten kontrollierten klinischen Studie werden 1172 Raucherinnen und Raucher, die einen Rauchstopp anstreben, jeweils über 6 Monate individuell begleitet. Nach Zufallsprinzip wird die Hälfte der Teilnehmenden eine Rauchentwöhnungsberatung und zusätzlich einen Verdampfer mit nikotinhaltigen Liquids erhalten. Die zweite Hälfte der Teilnehmenden erhält ausschliesslich die Rauchentwöhnungsberatung.
Das wichtigste Resultat der Studie wird die Beurteilung der Effektivität von Verdampfern zur Tabakentwöhnung sein, indem überprüft wird, ob mit Hilfe von Verdampfern ein totaler Rauchstopp erreicht werden kann. Gleichzeitig werden allfällige Nebenwirkungen erfasst, um die Sicherheit der Verdampfer zu beurteilen. Weiter wird erhoben, inwiefern sich die Schadstoffexposition beim Konsum von Verdampfern im Vergleich zum Tabakrauchen ändert, und ob sich gesundheitliche Aspekte wie Atemwegsbeschwerden sowie Blut- und Urinwerte, beispielsweise bezüglich oxidativem Stress oder kardiovaskulären Risikofaktoren, verbessern.
An der Studie beteiligt sind das Berner Institut für Hausarztmedizin (BIHAM), das Inselspital, Universitätsspital Bern, die Universitäten Lausanne und Genf sowie weitere Partner. Das Projekt wird für eine Laufzeit von vier Jahren vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt.
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Quelle:
¹ Quantifying population-level health benefits and harms of e-cigarette use in the United States (Samir S. Soneji, Hai-Yen Sung et al.; PLOS Medicine; 2018)
² Potential deaths averted in USA by replacing cigarettes with e-cigarettes (Levy DT, Borland R. et al; Potential deaths averted in USA by replacing cigarettes with e-cigarettes Tobacco Control 2018;27:18-25)
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