Neuer Test: schwerer Corona-Verlauf nun vorhersagbar

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Auf der Suche nach einem zuverlässigen prognostischen Biomarker für den Schweregrad von COVID-19, haben Forschenden der Technischen Universität München (TUM) nun einen Durchbruch erzielt.

Trotz zahlreicher Studien weiß die Wissenschaft immer noch vergleichsweise wenig darüber, was den Krankheitsverlauf und die Schwere der COVID-19 Erkrankung beeinflusst.

Bereits seit Sommer 2020 wird intensiv darüber geforscht, welche zelluläre Warnzeichen einen Hinweis auf einen schweren Krankheitsverlauf geben könnten.

Zahlreiche Ansätze wurden dabei verfolgt, viele davon als untauglich oder wenig zielführend auch wieder verworfen.

Schon im November 2020 ist bei einer deutschen Studie die erhöhte Anzahl unreifer Blutzellen im Blut der Patienten mit schwerem Verlauf in den Fokus ihrer Untersuchungen gerückt.

Demnach kurbelt das Knochenmark seine Produktion roter Blutkörperchen an um den Sauerstofftransport im Blut zu erhöhen. Weil aber die Zellreifung nicht hinterherkommt, werden vermehrt noch unreife Blutkörperchen ins Blut abgegeben.

Diese Präsenz unreifer Blutzellen im Blut deutet auf eine tiefgreifende Reaktion auch der Blutbildung auf schwere Verläufe der SARS-CoV-2-Infektion hin, so die Annahme. Denn die Menge dieser Zellen nahm bei den untersuchten Patienten am stärksten zu, die später an Covid-19 starben.

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Auch bei Infizierten mit schwerem Verlauf beginnt die Erkrankung oft schleichend mit nur langsamer Verschlechterung. Im Schnitt dauert es etwa 4 Tage nach Symptombeginn, bis die Person mit zunehmender Symptomverschlechterung ins Krankenhaus muss.

Die Forschung ist daher seit Ausbruch der Coronapandemie bestrebt möglichst potente und zuverlässige Biomarker zu identifizieren, die den Verlauf einer Covid-19-Erkrankung vorhersagen kann.

Biomarker können dazu beitragen, das individuelle Risiko für schwerwiegende Komplikationen oder einen schlechten Krankheitsverlauf abzuschätzen.

Dies ermöglicht eine gezielte Betreuung und Überwachung von Patienten mit einem höheren Risiko.

Bisher werden zahlreiche Werte zu Prognosezwecken allein oder in Kombination verwendet um treffsichere Prognosen abgeben zu können, doch ein einfacher Test ließ sich bisher davon nicht ableiten.

Beispielsweise werden in diesem Zusammenhang Entzündungsmarker, D-Dimere, also Biomarker für Blutgerinnung, Lymphozytenwert und lungenspezifische Marker herangezogen.

Nun ist es Forschenden der Technischen Universität München gelungen, mithilfe der Anzahl und Struktur von Blutplättchen vorherzusagen, ob es zu einem schweren Corona-Verlauf kommen kann.

Damit haben sie einen prognostischen Biomarker für den Schweregrad von COVID-19 identifiziert.

Insgesamt untersuchte das Forschungsteam das Blut von 36 Intensiv-Patienten im Alter zwischen 32 und 83 Jahren, die mit einer Corona-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert worden waren und einen mäßigen bis schweren Verlauf aufwiesen.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass bei schwer erkrankten Patienten die Anzahl an gebundenen Thrombozyten signifikant höher war, als bei mäßig erkrankten Patienten und erst recht im Vergleich zu gesunden Blutspendern.

In Bezug auf die Zusammensetzung der Zellaggregate konnten die Forschenden zeigen, dass in Abhängigkeit vom Schweregrad der COVID-19 Erkrankung die Anzahl der Zellaggregate und deren Zusammensetzung sich graduell und frühzeitig vor dem Auftreten einer Komplikation verändern.

Die Verklumpungen waren typischerweise aus weniger als zehn Thrombozyten zusammengesetzt. In Extremfällen wurde dabei beobachtet, dass bis zu zwei Drittel aller Thrombozyten von Patient:innen aggregiert vorlagen.

So kann die Therapie nun frühzeitig angepasst werden. Methodisch griffen die Forschenden auf eine bildgebende Durchflusszytometrie zurück, die es ermöglicht, schnell und in großer Anzahl Interaktionen zwischen Blutzellen zu analysieren.

Schwerer Corona-Verlauf nun vorhersagbar

Bei einer Sars-CoV-2 Infektion lagern sich Thrombozyten an den Blutplättchen an.

Dadurch entstehen Zellaggregate im Blutkreislauf: sobald sich der Körper mit Sars-CoV-2 infiziert, laufen eine Reihe von Immunreaktionen ab.

Eine dieser Reaktionen besteht darin, dass sich die Blutplättchen, auch Thrombozyten genannt, an den Immunzellen anlagern und dadurch Zellaggregate, also Verklumpungen, im Blutkreislauf entstehen.

Mittels bildgebende Durchflusszytometrie werden innerhalb von Sekunden tausende Blutzellen abgezählt und deren Struktur analysiert.

So wurde nachgewiesen, dass bei Intensivpatienten mit einem schweren Corona-Verlauf die Konzentration von Blutplättchen-Aggregaten sehr stark ansteigt.

Die hohe Konzentration an Zellaggregaten konnte bei allen COVID-19 erkrankten Probanden mit Einlieferung auf die Intensivstation nachgewiesen werden.

In Abhängigkeit vom Schweregrad der COVID-19 Erkrankung steigt die Anzahl der verklumpten Zellen und deren Zusammensetzung verändert sich.

Bei besonders schweren Corona-Fällen sind sogar bis zu zwei Drittel der Blutplättchen aggregiert.

Patientennahe und unkomplizierte und effiziente Messung

Für die Analyse wurde den Probandinnen und Probanden zunächst Blut abgenommen. Wenige Tropfen Blut reichen aus, um mithilfe der bildgebenden Durchflusszytometrie innerhalb von Sekunden tausende Blutzellen abzuzählen und deren Aggregation zu analysieren.

Der Leiter der Studie Prof. Hayden sagt: „Darüber hinaus hat diese Methode den großen Vorteil, dass wir die Proben weder aufbereiten noch markieren müssen, sondern sie direkt und standardisierbar untersuchen können, ohne die Aggregate durch Einwirkung hoher Scherkräfte zu verlieren. In Zukunft könnte diese kostengünstige Methode dabei helfen, Wechselwirkungen zwischen Gerinnungssystem und Immunsystem zu quantifizieren.“

Die patientennahe Messung erlaubt eine unmittelbare Untersuchung nach Blutabnahme, um Alterungseffekte der Blutproben, die selbst zu Aggregaten führen, auszuschließen.

Laut Studienautoren hat diese einfache Diagnostik von Blutplättchen-Aggregatendas Potential, Risikopatienten frühzeitig zu identifizieren und damit die Versorgung zu verbessern.

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Quellen:

¹ Platelet aggregates detected using quantitative phase imaging associate with COVID-19 severity [Klenk, C., Erber, J., et al. in Commun Med 3, 161 (2023)]. DOI: https://doi.org/10.1038/s43856-023-00395-6
² Longitudinal Multi-omics Analyses Identify Responses of Megakaryocytes, Erythroid Cells, and Plasmablasts as Hallmarks of Severe COVID-19 (P. Rosenstiel et. al in Immunity olume 53, ISSUE 6, P1296-1314.e9, December 15, 2020) DOI: https://doi.org/10.1016/j.immuni.2020.11.017

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