Wer sich als Sportler richtig ernähren möchte, sollte auch auf sein Gefühl hören – Stichwort „somatische Intelligenz“. Allerdings lässt sich diese meist nicht auf Knopfdruck einschalten. Und außerdem sorgen viele (oft widersprüchliche) Empfehlungen rund um Superfood, Sportgetränke und Eiweiß-Shakes für Verwirrung. Doris Hiller-Baumgartner, Diätologin und Lehrende am WIFI Steiermark, erläutert, worauf es wirklich ankommt.
Was für wen?
Die einen schnüren nach der Arbeit die Laufschuhe, die anderen treffen sich zum gemeinsamen Fitnesstraining im Stadtpark. Egal ob Sommer oder Winter – die Motivation zum After-Work-Sport nimmt zu! Einer Studie der Saint Leo University in Florida zufolge haben Menschen, die sich regelmäßig bewegen, ihre Work-Life-Balance besser im Griff und sind bei der Arbeit deutlich weniger gestresst. Doch viele Hobbysportler machen sich über die richtige Ernährung Gedanken.
Verzicht auf Gluten und Kohlenhydrate? Oder gerade als Sportler möglichst viele Kohlenhydrate essen? Die Vielzahl an (oft divergierenden) Ernährungsempfehlungen verwirrt viele Menschen, bestätigt Doris Hiller-Baumgartner, Diätologin und Lehrbeauftragte im Lehrgang Sporternährung am WIFI Steiermark und Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Sporternährung (ÖGSE) und stellt klar:
„Eine spezielle und individuell geplante Sporternährung wird erst dann benötigt, wenn man pro Woche mindestens 5.000 Kilokalorien zusätzlich verbraucht.“ Bei einem 75 Kilo schweren Mann entspreche das ungefähr sechs bis sieben Stunden intensives Training pro Woche.
„Der durchschnittliche Hobbysportler muss sich nicht mehr Gedanken über seine Ernährung machen wie ein jeder andere gesunde Erwachsene und sollte sich auch an seinem Gefühl orientieren und nicht nur an Nährwerttabellen. Ernährung ist eine ganz individuelle Angelegenheit und auch von ernährungspsychologischen Aspekten abhängig.“
Natürlich essen
Aber wie schafft man es nun, sich an seinem Gefühl zu orientieren? „Ich empfehle grundsätzlich immer, alles was man über gesunde Ernährung gehört hat, kritisch zu hinterfragen, da oft auch selbsternannte ‚Ernährungsexperten‘ unzureichend wissenschaftlich fundierte Aussagen tätigen“, erteilt Hiller-Baumgartner unseriösen Diät-Tipps eine Absage.
„Eine ganz wichtige Grundformel ist, sich an der Ernährung der Urgroßeltern zu orientieren. Mit natürlichen, regionalen und saisonalen Lebensmitteln ganz ohne Zusatzstoffe. Und kein Lebensmittel im Übermaß verzehren – egal ob Schokolade oder Gurken.“
Beispiele für empfehlenswerte Nahrungsmittel, auf die bereits unsere Vorfahren gesetzt haben, seien z.B:
- Haferflocken,
- Beeren,
- Wurzelgemüse,
- heimischer Fisch,
- Leinöl,
- Hanföl,
- Walnüsse in bestmöglicher Qualität
„Dieses Rückbesinnen auf die ursprüngliche Ernährung spiegelt sich auch im Trend zum ‚Clean Eating‘ wider“, so Hiller-Baumgartner.
Auch was das in Verruf geratene Gluten betrifft empfiehlt Hiller-Baumgartner die Abkehr von starker Verarbeitung. Man sollte Getreide in Bio-Qualität bzw. auch diverse Urkornsorten wie Einkorn, Kamut und Emmer bevorzugen, „weil dieses durch Menschenhand noch nicht so stark verändert wurde, als konventionell angebautes Getreide“. Grundsätzlich seien Getreideprodukte und damit auch Gluten aber für all jene, die nicht an Zöliakie leiden oder glutensensitiv sind, in einem normalen Maß unbedenklich.
Somatische Intelligenz
Grundsätzlich weiß der Mensch von Natur aus, was ihm gut tut – das heißt er kennt auch seinen individuellen Nährstoffbedarf und macht diesen mit Signalen wie Hunger oder „Gusto“ auf ein bestimmtes Lebensmittel deutlich. Man spricht dabei von „somatischer Intelligenz“.
Bei Kindern ist die somatische Intelligenz oft noch sehr gut erkennbar. Hiller-Baumgartner: „Kinder lehnen bestimmte Lebensmittel oft kategorisch ab. Sie spüren, dass ihnen diese Lebensmittel zu einer gewissen Zeit nicht gut tun. Durch Erziehung und Umwelteinflüsse geht dieser natürliche Instinkt des Menschen allerdings leider oft verloren.
Man hat dann als Erwachsener im Hinterkopf, dass Süßigkeiten etwas Schlechtes sind. Oder ist traurig und versucht dies mit Süßigkeiten zu kompensieren. Es braucht schon einiges an Übung, da wieder zu einem natürlichen Gefühl zurückzukommen.“
„In diesem Fall ist es sinnvoll, den individuellen Bedarf an Eiweiß, Fett, Kohlenhydraten, Vitaminen und Mineralstoffen mit Hilfe von bestens ausgebildeten Experten wie Diätologen oder Ernährungswissenschaftern zu eruieren. Die zusätzliche Erarbeitung handhabbarer, einfacher Umsetzungsmöglichkeiten im Alltag ist dabei unumgänglich.“
Magnesium in Pulver- oder Tablettenform?
Viele Hobbysportler sind der Meinung, sie benötigen zusätzlich Magnesium. Hiller-Baumgartner zieht dazu einen plakativen Vergleich: „Eine Kopfwehtablette nimmt man ja auch nur dann, wenn man Kopfschmerzen hat. Warum dann Magnesiumtabletten einnehmen, wenn man nicht einmal weiß, ob man einen Magnesiummangel hat?“
Die Expertin empfiehlt Hobbysportlern, beim Hausarzt ein Blutbild machen zu lassen und so zu überprüfen, ob und bei welchen Nährstoffen ein Mangel besteht. „In einem Standard-Blutbild sind allerdings nicht alle Vitamine und Mineralstoffe inkludiert, man sollte den Hausarzt daher gesondert auf die verstärkte Sportausübung hinweisen und diverse Parameter gemeinsam abklären. Erst nach Abklärung und ärztlicher Empfhelung ist die Einnahme von Nahrungsergänzungspräparaten sinnvoll.“
Welches Sportgetränk?
Bei jeder sportlichen Betätigung unerlässlich ist es, den Flüssigkeits- und Mineralstoffhaushalt wieder auszugleichen. Bei hohen Außentemperaturen kann der Schweißverlust bis zu einem Liter pro Stunde bei sportlicher Betätigung betragen. Dieser muss zusätzlich zum Grundbedarf (30 bis 40 ml pro Kilogramm Körpergewicht) wieder ausgeglichen werden.
„Die meisten Sportler essen gern salzig. Damit signalisiert der Körper den erhöhten Natriumverlust. Ein empfehlenswertes Getränk für Sportler ist z.B. gespritzter Apfelsaft im Verhältnis 1:2 bis 1:3 mit 1,5 kg Natriumchlorid (Kochsalz),“ so Hiller-Baumgartner.
Wenn man sich für ein Sportgetränk entscheidet, sollte dieses mehrere Zuckerarten enthalten (z.B. Glucose, Saccharose, kleine Mengen Fructose und Maltodextrin in einer Gesamtmenge von 40 bis 80 g pro Liter Wasser und zusätzlich 1,5 g Natriumchlorid bzw. Kochsalz. Eher weniger empfehlenswert seien Sportgetränke, die nur Saccharose enthalten, da diese den Blutzuckerspiegel zu schnell ansteigen lassen.
Eiweiß-Shakes?
Wer sich ausgewogen ernährt und weniger als sechs Stunden Sport die Woche macht, braucht laut Hiller-Baumgartner in der Regel keine zusätzlichen Eiweiß-Shakes. In diesem Zusammenhang empfehlenswert ist es, eine Gegenüberstellung zwischen dem persönlichen Eiweißbedarf (Sollzufuhr) und der zugeführten Menge an Eiweiß über Lebensmittel (Istzufuhr) durchzuführen.
„Zum Thema Eiweiß-Shakes ist abschliessend zu sagen, dass der Körper nur 30 bis 35 Gramm Eiweiß pro Mahlzeit aufnehmen kann (was ungefähr 140 Gramm Fleisch entspricht). Darüberhinausgehende Eiweißzufuhr macht also kaum Sinn,“ so die Expertin.
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Quellen:
Statistik Österreich: Hauptergebnisse des Austrian Health Interview Survey (ATHIS)
Vital.de – Sport nach Feierabend
Vegane Ernährung & Sport- Warum das zusammen passt
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