U-Boot-Krankheiten

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U-Boot-Krankheiten: Über Krankheiten, die nicht wahrgenommen werden (wollen) und deswegen einerseits zu spät behandelt werden und andereseits für soziale Stigmatisierung verantwortlich sind.

„unmet medical needs“

Es gibt Krankheiten, die sich vor der Diagnose verstecken, und Krankheiten, die durch ihre äußerlichen Merkmale dazu führen, dass die Betroffenen sie zu verbergen versuchen. Beides hat dramatische Konsequenzen. Dadurch werden diese Krankheiten viel zu wenig thematisiert und es entstehen – noch häufiger als bei anderen Erkrankungen – sogenannte „unmet medical needs“ (Bedürfnisse der Patienten die (noch) nicht gelöst werden können).

Im Dezember fand in Wien eine ärztliche Tagung zu diesen U-Boot-Krankheiten statt und wies auf den aktuellen Stand der Forschung bei diesen Erkrankungen hin. Besonders betont wurde die Bedeutung des interdisziplinären Austausches, um den Diagnoseweg der Patienten zu verkürzen und ihre Lebensqualität zu steigern.  
 

Beispiele für U-Boot-Krankheiten

Die drei Beispielkrankheiten waren Psoriasis, Psoriasis Arthritis und das Multiple Myelom. Drei Erkrankungen, die trotz aller Unterschiede eines gemeinsam haben. Es wird zu wenig über sie gesprochen. Teilweise liegt dies am Rückzug der Patienten selbst oder daran, dass sie als zu selten gelten, um in den Fokus der Berichterstattung zu gelangen.

Psoriasis 

Psoriasis ist zwar eine häufige Krankheit, rund 2 Prozent der Bevölkerung sind betroffen, und doch ist der Diskurs in der Öffentlichkeit nicht gleich laut und bewusst wie bei anderen „schöneren“ Krankheiten. Prim. Univ.-Prof. Dr. Klemens Rappersberger von der Abteilung für Dermatologie und Venerologie in der Krankenanstalt Rudolfstiftung in Wien erklärt: „Auf Grund der auffälligen Schuppen wirkt Psoriasis sehr oft stigmatisierend. Eine von Krankheit gezeichnete Haut hat auf die meisten Menschen eine abschreckende Wirkung, daher reagieren viele den Betroffenen gegenüber ablehnend.

Diese Stigmatisierung stellt für Patienten eine starke psychische Belastung dar, die sich auf alle Lebensbereiche auswirken kann. Betroffene neigen als Folge dazu, sich sozial zurückzuziehen, um verletzende Begegnungen mit anderen Menschen zu vermeiden. Daher muss man immer wieder betonen: Schuppenflechte ist nicht ansteckend und sie hat rein gar nichts mit mangelnder Hygiene der Patienten zu tun. Berührungsängste der Umwelt sind daher völlig unbegründet.“
 
Multiples Myelom

Das Multiple Myelom auf der anderen Seite ist eine seltene Krebserkrankung, die nur rund 1 Prozent der Krebserkrankungen ausmacht. Zu den häufigsten Symptomen von Patienten mit Multiplem Myelom zählen Knochenschmerzen, insbesondere im Bereich der unteren Wirbelsäule, Müdigkeit, Schwäche sowie erhöhte Infektionsanfälligkeit, und somit relativ unspezifische Beschwerden.

OA Priv. Doz. Dr. Niklas Zojer, von der 1. Medizinischen Abteilung, dem Zentrum für Onkologie und Hämatologie am Wilhelminenspital in Wien beschreibt den U-Boot-Charakter dieser Erkrankung so: „Immer wieder berichten Patienten von langen Untersuchungsreihen, bis endlich die Ursache der Beschwerden festgestellt werden kann.

Dabei wäre eine Diagnosestellung rasch möglich, wenn die richtigen Tests zum Einsatz kommen. An U-Boot-Krankheiten wie das Multiple Myelom, wird leider viel zu lange nicht gedacht, was aber wichtig wäre. Denn das Myelom ist heute sehr gut behandelbar und eine konsequente Behandlung wäre wichtig, da neben den Knochen noch weitere Organe geschädigt werden können“.

Arthritis

Die Psoriasis Arthritis (PsA) ist eine Erkrankung, die sich hinter der Psoriasis versteckt. Im überwiegenden Fall tritt sie erst Jahre nach der Psoriasis auf. Je schwerer die Hauterkrankung, desto größer die Wahrscheinlichkeit, eine PsA zu entwickeln. Jedem Psoriasis Patienten sollte bewusst sein, dass er auch ein hohes Risiko hat, eine Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis dazu zu bekommen, und sollte deshalb regelmäßig auch seine Gelenke beobachten.

„Die PsA verläuft progredient, das heißt es verschlechtert sich der Zustand immer mehr“, erklärt a.o. Univ. Prof. Dr. Hans Peter Brezinschek von der Klinischen Abteilung für Rheumatologie an der Med Uni Graz. „Verzögerungen bei Diagnose und Behandlung können so zu körperlichen Behinderungen führen. Da die Hautsymptome vor den Gelenksymptomen auftreten, sind die Patienten üblicherweise bereits bei einem Dermatologen oder Allgemeinmediziner in Behandlung. Diese Ärzte befinden sich somit in einer entscheidenden Position für die frühzeitige Diagnose der PsA und sollten daher bei jedem Patientenbesuch auf Anzeichen und Symptome für PsA achten.“

Fachübergreifender Diskurs essentiell

 
„Auch wenn jede U-Boot-Krankheit einen unterschiedlichen Verlauf hat und anderer fachärztlicher Versorgung bedarf, steht bei allen eines im Zentrum: der fachübergreifende Diskurs und eine stärkere mediale Präsenz können Leiden verhindern und informierten Patienten zu besserer Lebensqualität verhelfen“, betont Prim. Doz. Dr. Burkhard Leeb, von der 2. Medizinischen Abteilung des Landesklinikums Weinviertel Stockerau, dem NÖ Kompetenzzentrum für Rheumatologie und dem Karl Landsteiner Institut für Klinische Rheumatologie.
 
Aus eigener leidvoller Erfahrung berichtet die Psoriasis Arthritis Patientin Karin Formanek: „Bei mir hat es 30 Jahre bis zur Diagnose gedauert. Schmerzen in den Gelenken und im Rücken waren meine ständigen Begleiter, wurden damals aber nicht ernst genug genommen. Gerade U-Bootkrankheiten wie meine PsA erfordern interdisziplinäres Denken und einen Austausch zwischen Patient und Arzt auf Augenhöhe. Das hätte mir viel Leid und manche Folgeschäden erspart.“

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Quelle: Public Health

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