Die Cochrane Collaboration, die ihre 23. Tagung im Oktober 2015 in Wien abhielt, ist ein weltweites Netzwerk von Wissenschaftern, das mit seiner Arbeit einen entscheidenden Beitrag dazu leistet, dass Therapien objektiv bewertet werden können und somit die bestmöglichen Behandlungen gewählt werden.
Die Cochrane Collaboration
Die Cochrane Collaboration ist benannt nach dem britischen Arzt und Epidemiologen, Sir Archibald Leman Cochrane. Seine Überlegungen zur Überprüfung von Therapien in Studien und die Aufbereitung dieser Ergebnisse in systematischen Übersichten stellen einen gedanklichen Ausgangspunkt für die Gründung von Cochrane im Jahr 1993 dar.
Das internationalen Forschungsnetzwerkes für evidenzbasierte Medizin Cochrane ist in 43 Ländern vertreten; 30.000 Wissenschafter aus 130 Ländern arbeiten in diesem Netzwerk.
In den vergangenen 22 Jahren ist ein einmaliges globales unabhängiges Netzwerk von klinischen Forschern, Ärzten, Methodikern, Angehörigen der Gesundheitsfachberufe und Patienten entstanden, das sich für bessere Gesundheit durch bessere Informationsmöglichkeiten einsetzt.
Cochrane Review
Hauptaufgabe der Cochrane Collaboration ist die Erstellung, Verbreitung und Aktualisierung von systematischen Übersichtsarbeiten, sogenannten Cochrane Reviews. Diese Reviews fassen alle Studien und Forschungsergebnisse zusammen, die für eine bestimmte therapeutische Fragestellung relevant sind.
Diese systematischen Übersichtsarbeiten bieten allen Akteuren im Gesundheitswesen eine unabhängige, wissenschaftlich fundierte Informationsgrundlage, um den aktuellen Stand der klinischen Forschung in kurzer Zeit objektiv beurteilen zu können.
Impulse für tägliche Arbeit der Ärzte
Die Österreich-Zweigstelle von Cochrane ist an der Donau-Universität ansässig. Hier wird die tägliche Informationsflut gesichtet und auf die konkreten Bedürfnisse der Mediziner heruntergebrochen. Die strikte Orientierung an der Evidenz medizinischer Daten liefert wichtige Impulse für die tägliche Arbeit zum Wohle der Patienten.
Univ. Prof. Dr. Gartlehner, Direktor von Cochrane Österreich unterstreicht, wie wichtig es ist, Informationen objektiv und interessenskonfliktfrei zusammenzufassen, und nannte Informationsflut und verschiedene Partikularinteressen – 90 Prozent der Forschung werden von der Pharma- bzw. medizinischen Industrie finanziert – als größtes Hindernis bei der evidenzbasierten Medizin. Anhand eines Bespiels macht er deutlich, was er meint:
„In Österreich erhalten zehn Prozent der Bevölkerung, rund 800.000 Menschen, Antidepressiva. Die am Markt befindlichen 15 verschiedenen Medikamente wurden in rund 200 Studien miteinander verglichen und als annähernd gleich gut und mit ähnlichen Nebenwirkungen behaftet ausgewiesen. Dennoch wird vor allem ein einziges Antidepressivum verschrieben, jenes mit dem besten Marketing.“
In Bezug auf die vorliegenden Studien sähen zudem 70 Prozent der deutschsprachigen Ärzte medizinisches Englisch als unüberwindbare Hürde an, was naturgemäß einen Fokus auf Hersteller aus deutschsprachigen Länder bedeutet.
Exkurs – Evidenzbasierte Medizin – EbM
EbM ist der gewissenhafte, ausdrückliche und vernünftige Gebrauch der gegenwärtig besten externen, wissenschaftlichen Evidenz für Entscheidungen in der medizinischen Versorgung individueller Patienten. Die Praxis der EbM bedeutet die Integration individueller klinischer Expertise mit der bestverfügbaren externen Evidenz aus systematischer Forschung. Evidenzbasierte Medizin ist der Goldstandard in den medizinischen Wissenschaften.
EbM stützt sich auf die drei Säulen der individuellen klinischen Erfahrung, der Werte und Wünsche des Patienten und des aktuellen Standes der klinischen Forschung.
Das Vorgehen in der EbM gliedert sich in fünf Schritte:
1. Übersetzung des klinischen Problems in eine Fragestellung, die durch wissenschaftliche Untersuchungen zu beantworten ist
2. Systematische Literaturrecherche nach geeigneten Studien
3. Kritische Evidenzbewertung über alle identifizierten Studien hinweg
4. Anwendung der gewonnenen Einsichten in Abwägung der konkreten klinischen Situation
5. Selbstkritische Evaluation und ggf. Anpassung der bisherigen Vorgehensweise
Kritik an EbM
Einer der großen Kritiker der evidenzbasierten Medizin ist John Ioannidis von der Stanford University. Ihm zufolge ist jede zweite medizinische Studie falsch oder fehlerhaft. Und tatsächlich steckt auch in dieser Kritik ein Körnchen Wahrheit: Die Wissenschaft ist nicht perfekt, Fehler gibt es überall.
In manchen Fällen ist das Studiendesign einfach schlecht. Ein weiteres Problem ist, dass Studien mit negativen Ergebnissen häufig nicht publiziert werden – die Pharmalobby ist mächtig. Und selbst bei den positiven Ergebnissen erfährt man oft nichts über mögliche Nebenwirkungen. Das führt natürlich mitunter zu groben Verzerrungen.
Cochrane – Objektiv und unabhängig
Die Cochrane Collaboration will hier gegensteuern, indem sie das verfügbare Studienmaterial objektiv sichtet und statistisch zusammenfasst. Eine der großen Herausforderungen ist das medizinische Publikationssystem. Klinische Studien werden oft erst Jahre nach ihrem Abschluss veröffentlicht, doch die Medizin muss viel schneller werden.
Cochrane bietet dafür eine tolle Plattform. Eines der letzten Ergebnisse der Cochrane Plattform: Das Grippemttel Tamiful wurde in seiner (möglichen) Wirkung stark überschätzt; nicht zuletzt hat der Pharmariese Roche hier auch einseitig Ergebnisse publiziert. Ein gutes Beispiel dafür, dass bei der Bewertung aller Therapieformen, insbesondere bei jenen, die von der Öffentlichkeit finanziert werden, Objektivität bei der Evaluierung, also evidenzbasierte Medizin oberstes Gebot sind.
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Quelle:
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