Auch wenn Gaming mittlerweile im Mainstream angelangt ist und zahlreiche Events Computerspiele im besten Licht präsentieren wollen, so haben die virtuellen Spiele auf Playstation, Nintendo, XBox & Co. nach wie vor nicht den allerbesten Ruf. Auch in den Medien wird gerne das Klischee vom leicht schrägen, sozial vereinsamten, meist übergewichtigen Nerd strapaziert.
Übergewicht und gesteigerte Gewaltbereitschaft sind dann bei Umfragen auch die am häufigsten zugewiesenen Attribute von Vielspielern. Ersteres haben nun Wissenschafter aus Linz, Würzburg und Bamberg im Rahmen einer Metastudie untersucht und kamen zu einem überraschenden Ergebnis.
Wenn es um Gaming geht, sind die Vorbehalte schnell bei der Hand. Videospiele würden zu sozialer Vereinsamung, abnehmender Empathie, Übergewicht und Einschlafproblemen führen, soferne das Spielen am Computer übertrieben wird. Viele Argumente klingen plausibel, allein, stimmt der Befund?
Sind Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die intensiv Computer spielen, tatsächlich fettleibiger? Eine Meta-Studie mit Beteiligung der Universitäten Linz und Würzburg, sowie dem Leibniz-Institut in Bamberg hat genau das nun untersucht.
Gibte es einen Zusammenhang zwischen Computerspielen und Übergewicht?
Ein pummeliger Jugendlicher sitzt stundenlang auf dem Sofa mit dem Controller in der Hand, direkt daneben die fettigen Chips und die ungesunde Cola auf dem Couchtisch. So stellen sich viele Menschen die typischen Gamerinnen und Gamer vor. Daher ist auch das Vorurteil, das intensives Spielen von Videospielen dick macht, weit verbreitet. Zurecht?
„Die Studienlage bei Kindern und Jugendlichen widerspricht dem Stereotyp, bei Erwachsenen gibt es kleine Zusammenhänge zwischen Computerspielen und Körpermasse“, erklärt Professor Markus Appel, Kommunikationspsychologe an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. Forscher der JMU (Markus Appel, Caroline Marker) und der Johannes-Kepler-Universität Linz bzw. dem Leibniz-Institut für Bildungsverläufe in Bamberg (Professor Timo Gnambs) haben mit einer Meta-Analyse insgesamt 20 aussagekräftige Studien mit mehr als 38.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ausgewertet.
Der Zusammenhang zwischen Videospielen und Übergewicht bzw. Körpermasse zeigt sich aber nur in geringem Umfang. Lediglich ein Prozent des individuellen Übergewichts kann demnach durch die Zeit mit Videospielen erklärt werden.
Fördert Gaming die Gewichtszunahme? Bei Erwachsenen ja, bei Jugendlichen nein
Das Klischee stimmt – konnte aber eben nur bei Erwachsenen nachgewiesen werden. Kinder, die häufig am PC zocken, sind demnach nicht dicker, als solche, die es nicht tun. Videospielende Kinder bewegen sich demnach auch nicht zwangsläufig weniger als ihre Altersgenossen. Dies ist allerdings vor dem Hintergrund zu sehen, dass die körperliche Alltagsaktivität der Vier- bis 17-Jährigen seit 2007 insgesamt um ganze 37 Prozent zurückgegangen ist.
Bei Erwachsenen konnte allerdings ein – wenn auch sehr geringer – Effekt nachgewiesen werden. „Möglicherweise bleiben fettleibigere Personen beim Übergang ins Erwachsenenalter eher ihrem Hobby Videospielen treu, während für andere neue Freizeitangebote wichtiger werden“, vermutet Appel.
In der Vergangenheit haben sich schon einige Forscherinnen und Forscher mit der Frage beschäftigt, inwiefern Videospiele und Übergewicht zusammenhängen. „Übergewicht und Fettleibigkeit werden meist mit Medienkonsum im Sitzen verbunden, wie Fernsehen oder nicht-aktive Videospiele“, schreibt das Forscherteam in seiner aktuellen Studie, die im Fachmagazin „Social Science and Medicine“ erschienen ist. Doch die einzelnen Untersuchungen kamen bislang zu unterschiedlichen Ergebnissen, daher der aktuelle Vergleich.
Weniger Zeit beim Sport
Warum es zu dem Zusammenhang kommt? „Wir haben einen signifikanten indirekten Effekt gefunden, der zeigt, dass Menschen, die mehr Zeit mit Videospielen verbringen auch weniger Zeit mit Sport verbringen und daher ein höheres Körpergewicht bzw. mehr Körpermasse haben“, schreibt die das Team aus Würzburg und Linz. Andere Faktoren, wie zum Beispiel eine ungesunde Ernährung vor der Spielekonsole oder Schlafmangel, konnten aufgrund zu weniger Studien nicht überprüft werden.
Die Forscherinnen und Forscher haben bei ihrer aktuellen Analyse lediglich nicht-aktive Videospiele berücksichtigt – also solche, die man im Sitzen spielen kann. Aktive Videospiele, zum Beispiel Wii-Sports oder Pokémon Go, bei denen Bewegung erforderlich ist, wurden bewusst nicht berücksichtigt.
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Quelle:
¹ Exploring the myth of the chubby gamer: A meta-analysis of studies on sedentary video gaming and body mass (Markera C., Gnambs T., Appel M. in Socíal Science & Medicine; Juni 2019) DOI: https://doi.org/10.1016/j.socscimed.2019.05.030
² Violent video game engagement is not associated with adolescents‘ aggressive behaviour: evidence from a registered report (Andrew K. Przybylski, Netta Weinstein in Royal Society Open Science; Juni 2019) DOI: https://doi.org/10.1098/rsos.171474
³ DeutschesGesundheitsPortal.de
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