Wenn hochpotente Arzneimittel wie Antibiotika, die zur Behandlung von Infektionen durch Bakterien im Bereich der Humanmedizin eingesetzt werden, nicht mehr wirken, schrillen die Alarmglocken. Durch falschen, massenhaften und häufig unnötigen Einsatz von Antibiotika können Bakterien resistent werden, wodurch die Medikamente ihre Wirksamkeit verlieren. Tatsächlich steigt die Zahl dieser Resistenz nach wie vor rasant an, weshalb Forscher fieberhaft nach Mitteln und Methoden forschen um diese Entwicklung aufzuhalten. Ein neuartiger Test verspricht unterdessen eine schnelle Resistenz-Erkennung, die helfen soll Patienten die richtige Medikation zu verabreichen.
Resistente Keime möglichst früh zu erkennen, kann lebensrettend sein. DZIF-Wissenschaftler an der Uniklinik Köln haben mit Antikörpern einen diagnostischen Test entwickelt, der innerhalb von nur zehn Minuten die weit verbreitete Carbapenem-Resistenz von Acinetobacter-baumannii-Bakterien anzeigt – ähnlich wie ein Schwangerschaftstest. Lässt sich schnell erkennen, ob ein Erreger resistent ist gegen bestimmte Antibiotika ist, kann die Medikamentation beim Patienten sofort adaptiert werden.
Schneller Nachweis gefährlicher Keime verspricht rasche Heilung
Acinetobacter baumannii gehört zu den weltweit vorkommenden Krankenhauskeimen, die vor allem auf Intensivstationen gefürchtet sind. Bei einer Infektion können sie Lungenentzündungen und Blutvergiftungen ebenso auslösen wie Wundinfektionen oder auch eine Hirnhautentzündung. Immer häufiger – insbesondere in Asien, Südamerika, Nordafrika und Südeuropa – kommen multiresistente Stämme vor, die gegen viele Antibiotika unempfindlich sind. Besonders kritisch ist es, seit auch Reserve-Antibiotika aus der Gruppe der Carbapeneme als Mittel der Wahl mehr und mehr versagen. Dies kann zu gefährlichen Epidemien führen. Die Bakterien bilden bestimmte Enzyme aus, die sog. Carbapenemasen, die das Antibiotikum angreifen und unwirksam machen. Carbapenem-resistente Acinetobacter-baumannii-Stämme führen die WHO-Liste der gefährlichsten Antibiotika-resistenten Bakterien an.
Um die Carbapenemasen und damit die Resistenz in den Bakterien-Isolaten nachzuweisen, braucht man derzeit mit gängigen Verfahren in der Regel fast zwei Tage. Erst dann weiß der Arzt, ob er ein Carbapenem überhaupt verabreichen sollte und ob er Vorkehrungen treffen muss, um andere Patienten und das Personal zu schützen. Eine möglichst schnelle Diagnose der Carbapenem-Resistenz könnte Fehlentscheidungen verhindern. Aus diesem Grund haben sich DZIF-Wissenschaftler verschiedener Disziplinen (Mikrobiologie, Immunologie und Molekularbiologie) und der belgischen Firma Coris BioConcept zusammengetan, um einen Diagnose-Kit zu entwickeln.
Antikörper als Spürnasen
Die Wissenschaftler identifizierten OXA-23 als die Carbapenemase, die von 80 % aller multiresistenten A. baumannii-Stämme weltweit gebildet wird. „Wir haben vor einigen Jahren entdeckt, dass OXA-Carbapenemasen in größerer Menge in den Bakterien vorkommen müssen, um überhaupt wirksam zu sein“, erklärt Dr. Paul Higgins von der Universität Köln. „Diese höhere Konzentration gab uns die Möglichkeit, Antikörper zu generieren, mit denen wir OXA-23 nachweisen können“, ergänzte Dr. Alexander Klimka. Diese Idee, die sie gemeinsam mit Dr. Sonja Mertins, ebenfalls Universität Köln, entwickelten, führte letzten Endes zu einem Test, der innerhalb von etwa zehn Minuten die Carbapenem-Resistenz von Acinetobacter baumannii anzeigt und damit fast einen Tag in der Diagnostik spart.
Die Herstellung und Aufreinigung des Enzyms und die Generierung von spezifischen, monoklonalen Antikörpern erfolgte an der Uni Köln, die Herstellung der Teststreifen, an die die Antikörper gekoppelt werden, und die Vermarktung liegt in Händen der belgischen Firma Coris BioConcept, die den Diagnose-Kit voraussichtlich im Juli dieses Jahres auf den Markt bringen wird. „Unser Assay benötigt weder teure Zusatzgeräte noch spezielle Kenntnisse in der Handhabung. Das chromatographische Verfahren ist schnell, sensitiv und spezifisch“, erklärt Dr. Pascal Mertens von der Firma Coris BioConcept.
Schnell und einfach: Resistenz wird sichtbar
„Ich vergleiche das gern mit einem Schwangerschaftstest, weil es ganz ähnlich funktioniert und ebenso eindeutig zu interpretieren ist“, erklärt Dr. Higgins. Und so funktioniert der Resistenztest in der Klinik: Das Isolat des Bakterienstammes, das zum Beispiel von einem Patienten mit Lungenentzündung stammen kann, wird in einer Lösung aufgenommen und auf den Teststreifen aufgetropft. Die Lösung läuft dann an zwei spezifischen Antikörpern im Filterstreifen vorbei, die beide an die gesuchte Carbapenemase, OXA-23, binden können, und zwar an unterschiedlichen Stellen des Enzyms. Erfolgt diese doppelte Bindung, wird eine Bande auf dem Teststreifen sichtbar. Damit weiß der behandelnde Arzt sofort, dass er eine Alternative zu Carbapenem einsetzen muss und gegebenenfalls besondere Maßnahmen ergriffen werden müssen, um eine Ausbreitung des Keims zu verhindern.
„Wir konnten zeigen, dass der Test hundertprozentig spezifisch ist für eine OXA-23 vermittelte Carbapenem-Resistenz mit einer sehr hohen Sensitivität. Eigenschaften, die gängige, aufwändigere Methoden in dieser kurzen Zeit nicht aufweisen“, berichtet Dr. Mertins. Der Assay für OXA-23 ist für die Wissenschaftler das erste Produkt. Sie wollen in der nächsten Zeit auch für andere, häufig vorkommende Carbapenemasen, wie OXA-40 und OXA-58, spezifische Antikörper entwickeln. „Das Ziel ist ein Triplett-OXA-Assay, der über 95 Prozent aller weltweit auftretenden Carbapenem-resistenten A. baumannii-Stämme in kurzer Zeit erkennt“, so Dr. Klimka. Der neue Test wird vom DZIF finanziert.
Intensive Forschung
Im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) entwickeln bundesweit circa 500 Wissenschaftler und Ärzte aus 35 Institutionen gemeinsam neue Ansätze zur Vorbeugung, Diagnose und Behandlung von Infektionskrankheiten. Ziel ist die sogenannte Translation: die schnelle, effektive Umsetzung von Forschungsergebnissen in die klinische Praxis. Das aktuelle Problem „Krankenhauskeime und Antibiotika-resistente Bakterien“ wird als einer von neun Forschungsbereichen im DZIF mit Hochdruck bearbeitet. Kliniker und Wissenschaftler arbeiten hier an Strategien, die Entwicklung und Ausbreitung von resistenten Keimen einzudämmen. Der intelligente Einsatz von Antibiotika gehört ebenso dazu wie Hygienemaßnahmen und die schnelle Diagnose von Resistenzen.
———–
Quellen:
¹ Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) – Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene
² Medizinlexikon: Was sind Antibiotika? (gesund.co.at)
Linktipps:
- Phagen könnten bald Antibiotika ersetzen
- Multiresistente Krankenhauskeime schneller entdecken
- Wirksame Maßnahmen gegen gefährliche Krankenhauskeime
- Immer mehr Medikamentenfälschungen