Ausbau des öffentlich finanzierten Impfprogramms in Österreich

Politik & Forschung

Die österreichische Bundesregierung hat sich entschlossen, 90 Mio. EUR jährlich für den schrittweisen Ausbau des öffentlichen Impfprogrammes zur Verfügung zu stellen.

Mit der Prävention durch Impfungen soll die Belastung für das Gesundheitssystem durch Behandlungskosten künftig reduziert werden.

Im Rahmen des Finanzausgleichs haben sich die Partner des österreichischen Gesundheitssystems auf den Ausbau des öffentlich finanzierten Impfprogramms verständigt.

Aus diesem Anlass wurde im Zuge einer Podiumsdiskussion mit Experten sowie Vertretern aller Systempartner darüber diskutiert, welche Aspekte ausschlaggebend sind, damit die beschlossenen 90 Mio. EUR jährlich zielgerichtet, zeitnah und effizient der impfwilligen Bevölkerung zugutekommen.

Warum kostenfreie Impfungen für alle in Österreich?

Der demografische Wandel der Bevölkerung betrifft auch unser Gesundheitssystem. Bis 2040 wird die Anzahl der in Österreich lebenden Personen im pensionsfähigen Alter um 43 Prozent zunehmen, während die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter um 4 Prozent sinken wird.

Die Folge ist eine Doppelbelastung des Gesundheitssystems. Steigenden Kosten für ambulante und stationäre Behandlungen, Arzneimittel und Rehabilitation stehen in Zukunft sinkende Einnahmen durch weniger Beitragszahlende gegenüber.

Ethische Kritik: Förderung des Gemeinwohls oder Finanzspritze für Pharmakonzerne?

Die Förderung staatlicher Impfprogramme wirft allerdings ethische Fragen auf, die eine kritische Betrachtung verdienen.

Natürlich sind Impfungen ein lukratives Geschäft für Pharmakonzerne, soferne sie auch verkauft werden können. Das Profitmotiv der Pharmakonzerne ist legitim, schließlich sind mitunter für die Forschung und Entwicklung von effizienten und sicheren Impfungen auch Unsummen an finanziellen Mitteln für die Firmen aufzubringen.

Es ist nur zu verständlich, dass diese Beträge auch wieder verdient werden müsssen und wenn irgendwie möglich satte Gewinne dazu.

Doch auch dieses Gewinnstreben ist zu erklären, schließlich führen nicht alle Forschungen letztlich zu einem erfolgreichen Impfstoff. So müssen die Erträge erfolgreicher Projekte, jene querfinazieren, die nicht umgesetzt werden können.

Der Profitmaximierungsgedanke kann in diesem komplizierten Umfeld zwischen öffentlicher Finanzierung und Gesundheitsnutzen für die Allgemeinheit allerdings grundsätzlich zu einem Interessenkonflikt führen.

Denn Unternehmen können möglicherweise Anreize haben, Impfstoffe (oder Medikamente allgemein) zu entwickeln und zu vermarkten, die nicht unbedingt die größten gesundheitlichen Vorteile bieten, sondern die höchsten Gewinne versprechen.

Vor allem die Unklarheit über die Notwendigkeit bestimmter Impfungen ist ein weiterer Kritkpunkt: Die Vielzahl von Impfstoffen auf dem Markt und die ständig wechselnden Empfehlungen führen zu Unsicherheiten darüber, welche Impfungen tatsächlich notwendig sind. Dies kann zu Verwirrung und Misstrauen führen, insbesondere wenn die Bevölkerung das Gefühl hat, dass Impfempfehlungen von wirtschaftlichen Interessen beeinflusst werden.

Nicht fehlen darf in diesem Zusammenhan die Grundsatzfrage: Was zählt mehr, die individuelle Freiheit oder das öffentliches Interesse?

Die Frage, ob Impfungen eine Frage der individuellen Entscheidung oder eine öffentliche Verpflichtung sind, ist weltweit Gegenstand intensiver Debatten.

Während einige argumentieren, dass Impfungen eine persönliche Wahl darstellen und staatliche Eingriffe in individuelle Entscheidungen vermieden werden sollten, betonen andere die Bedeutung von Impfungen für den Schutz der öffentlichen Gesundheit und das Gemeinwohl.

Ein weiterer Aspekt ist die Frage nach dem Zugang zu Impfstoffen: In vielen Ländern haben nicht alle Bürgerinnen und Bürger gleichen Zugang zu Impfstoffen.

Dies kann zu ethischen Fragen der Gerechtigkeit führen, insbesondere wenn staatliche Programme nicht ausreichend Ressourcen bereitstellen, um sicherzustellen, dass vulnerable Bevölkerungsgruppen ebenfalls Zugang zu Impfungen haben.

Österreich: Impfungen als Basis der Gesundheitsversorgung

Damit auch zukünftig eine flächendeckende, hochwertige Gesundheitsversorgung in Österreich gewährleistet werden kann, wird der Prävention noch größere Bedeutung zukommen.

Impfungen zählen zu den wichtigsten Maßnahmen der Primärprävention, da sie wirksam und kosteneffektiv sind. Trotzdem werden bei weitem nicht alle Impfungen, die vom Nationalen Impfgremium im Österreichischen Impfplan empfohlen sind, kostenfrei zur Verfügung gestellt.

So steht zwar ein umfangreiches, kostenloses Kinderimpfprogramm zur Verfügung, Erwachsenenimpfungen sind aber großteils privat zu finanzieren.

In einem ersten Schritt wurde die Influenza-Impfung für die Saison 2023/24 im Rahmen eines öffentlichen Impfprogrammes allen in Österreich lebenden Personen stark vergünstigt zugänglich gemacht.

Der österreichische Impfplan empfiehlt darüber hinaus jedoch weitere Impfungen für Erwachsene, wie etwa die Gürtelrose-Impfung, die noch auf eine Finanzierung warten.

Hinsichtlich der Kosten meint Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch, Mitglied des Nationalen Impfgremiums: „Wir müssten einfach ausrechnen: Was kosten uns die Erkrankungen im Jahr, die vermeidbar wären. Dann wissen wir, wie viel wir ausgeben sollten.“

Andreas Huss, MBA | Arbeitnehmer-Obmann der Österreichischen Gesundheitskasse meint: „Die 90 Mio. Euro sollen für neue Impfungen verwendet werden. Dabei müssen wir freilich Prioritäten setzen, die könnte zum Beispiel das Nationale Impfgremium abgeben. Ziel muss es sein, alle im Impfplan empfohlenen Impfungen in ein Impfprogramm überzuführen.“

Und er fügt an, dass dies für Kinder und Erwachsene gleichermaßen zu gelten habe: „Lore Hostasch (ehemalige Gesundheitsministerin; Anm. d. Redaktion) hat 1998 mit dem Kinderimpfprogramm einen Meilenstein gesetzt. Das funktioniert bis heute sehr gut. Was wir in Österreich aber nicht haben, ist ein Erwachsenen-Impfprogramm. Das ist Privatangelegenheit. Das darf nicht so bleiben.“

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Quelle:

¹ OTS Meldung GSK

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