Das 20. Forum Hospital Management, organisiert von AKH Wien, der Wirtschaftsuniversität Wien und der Vinzenz Gruppe, erörterte Fragen zu Veränderungen im Gesundheitswesen und warf einen Blick in die Zukunft der Medizin – sowie der Gesellschaft.
Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) im Gesundheitswesen bietet zweifellos vielversprechende Möglichkeiten, aber es gibt wichtige Aspekte zu berücksichtigen.
Welche Punkte bzw. Themenbereiche sollte ein realistischer Blick hinsichtlich des Einsatzes von KI im Gesundheitswesen beinhalten?
1. Diagnose und Prognose: KI-Systeme können große Mengen an Gesundheitsdaten analysieren, um präzise Diagnosen zu unterstützen und Prognosen zu erstellen. Dies kann Ärzten helfen, fundiertere Entscheidungen zu treffen.
2. Personalisierte Medizin: Durch die Analyse von individuellen Gesundheitsdaten kann KI dabei helfen, personalisierte Behandlungspläne zu entwickeln, die besser auf die Bedürfnisse einzelner Patienten zugeschnitten sind.
3. Bildgebung und Analyse: KI kann bei der Auswertung von medizinischen Bildern wie CT-Scans oder MRTs helfen, indem sie Anomalien schneller und genauer erkennt als menschliche Experten.
4. Arzneimittelforschung und Entwicklung: KI kann in der Arzneimittelforschung eingesetzt werden, um den Prozess der Wirkstoffentwicklung zu beschleunigen und potenzielle Nebenwirkungen vorherzusagen.
5. Effizienz und Kostenersparnis: Durch Automatisierung bestimmter Prozesse und die Unterstützung von Ärzten bei der Entscheidungsfindung kann KI dazu beitragen, die Effizienz im Gesundheitswesen zu verbessern und Kosten zu senken.
Und was sind die Herausforderungen und Grenzen der neuen Technologie?
Datenschutz und Ethik: Der Zugang zu sensiblen Gesundheitsdaten wirft Fragen bezüglich Datenschutz und ethischer Verantwortung auf. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass KI-Systeme den Datenschutzstandards entsprechen und ethische Grundsätze einhalten.
Fehlinterpretation von Daten: Ein ganz wichtiger bereich, schließlich können auch KI-Systeme fehlerhaft sein, insbesondere wenn sie mit unvollständigen oder unrepräsentativen Daten trainiert werden. Fehlinterpretationen können zu falschen Diagnosen oder Behandlungsempfehlungen führen.
Regulatorische Hürden: Die Regulierung von KI im Gesundheitswesen ist komplex und erfordert klare Richtlinien, um die Sicherheit und Wirksamkeit von KI-Systemen zu gewährleisten.
Letztlich bleibt menschliche Expertise wohl unverzichtbar. Trotz der Fortschritte in der KI bleibt menschliche Expertise unverzichtbar. Ärzte und medizinisches Fachpersonal müssen die Ergebnisse von KI-Systemen interpretieren und in den Kontext des individuellen Patienten stellen.
Forum Hospital Management
Das Forum Hospital Management sucht neue Antworten und Strategien für die großen Management-Herausforderungen im Gesundheitswesen. In der jährlich stattfindenden Fachkonferenz werden nationale und internationale Praxisbeispiele innovativen Health Care Managements präsentiert und diskutiert.
Künstliche Intelligenz in der Medizin sowie der demographische Wandel und die damit verbundenen (inter-)nationalen Auswirkungen standen 2024 im Fokus des 20. Forum Hospital Management.
Expertinnen und Experten wie Anna Rosling Rönnlund, Mitgründerin der schwedischen Gapminder Foundation oder Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich, erörterten gemeinsam mit Fach- und Führungskräften aus dem Gesundheitswesen, der pharmazeutischen Industrie und dem medizinisch-technischen Bereich, wie die teils revolutionären Entwicklungen in unserer Zeit die Zukunft der Medizin und der menschlichen Gesundheit verändern werden.
Die demographische Entwicklung trifft nicht nur Menschen, um die man sich kümmert, sondern auch die Menschen, die sich kümmern, ist Michael Heinisch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Vinzenz Gruppe überzeugt.
Mit Blick auf den herrschenden Fachkräftemangel werde deutlich: Es tue sich eine Schere auf zwischen der Anzahl jener, die pflegen, und denjenigen, die Pflege brauchen.
Daher müsse nun die Frage beantwortet werden, wie diese Schere geschlossen werden könne, so Heinisch im Rahmen seiner Begrüßungsworte. Herwig Wetzlinger, Direktor der Teilunternehmung AKH, ergänzte, es sei das Gebot der Stunde, medizinische Einrichtungen in Bezug auf Organisation und Ressourcen weiterzuentwickeln; hochqualifizierten Fachkräfte müssten dort eingesetzt werden, wo man sie tatsächlich benötigt.
Für Wetzlinger ist die digitale Transformation eine Lösungsmöglichkeit, die Leistungsfähigkeit unserer Einrichtungen zu stärken. So könne Künstliche Intelligenz (KI) unter anderem in der Administration sowohl eine Entlastung für das Personal als auch für die Patient*innen bringen.
Für Johannes Steyrer, wissenschaftlicher Leiter des MBA-Studiengangs Health Care Managements an der der WU Executive Academy ist die Angst vor der Zukunft, vor Veränderung ein schlechter Ratgeber, der letztendlich resignativen Pessimismus erzeugt.
Fakten vs. Glauben
Dem Kampf gegen ebendiesen Pessimismus hat sich Anna Rosling Rönnlund, Mitgründerin der Gapminder Foundation verschrieben. Der Name des gemeinnützigen Unternehmens mit Sitz in Stockholm leitet sich von den Warnmeldungen „Mind the Gap“ („Achtung auf den Spalt“) in der Londoner U-Bahn ab:
Die Stiftung will den Gap zwischen der Meinung zahlreicher Menschen über den Zustand der Welt und der tatsächlichen Faktenlage schließen. Im ersten Vortrag der Veranstaltung erläuterte Rosling Rönnlund an zahlreichen plakativen Beispielen, wie falsch unsere meist negative Sicht auf die globale Entwicklung in Wahrheit ist.
Künstliche Intelligenz hingegen, deren Wissen rein datenbasierend ist, liegt bei diversen Einschätzungen deutlich näher an der Realität als der Mensch. Daraus müsse man lernen, denn die Welt entwickle sich viel positiver, als die meisten von uns glauben, so Anna Rosling-Rönnlund.
Verbesserte Arbeitsbedingungen im Pflegebereich
Auch am Arbeitsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren viel verändert, weiß AMS-Österreich-Vorstand Johannes Kopf. So seien aktuell eine halbe Million mehr Menschen am Arbeitsmarkt als noch vor zehn Jahren.
Zudem steige das Frauenpensionsalter jährlich um ein halbes Jahr. Für ihn ist Künstliche Intelligenz die nächste, alles am Arbeitsmarkt verändernde, Welle. Dies sei aber mehr Chance als Gefahr, denn fest stehe, dass bei jeder Innovation die Zahl an Beschäftigten gestiegen ist.
Der AMS-Chef forderte jedoch dort mehr Unterstützung des Staates, wo Einzelne im Hintertreffen seien, beispielsweise bei fehlender Chancengleichheit aufgrund vererbter Bildung. Im Pflegebereich sieht ein politisches Versagen. In Österreich gäbe es nämlich zu wenig Ausbildungskapazitäten. Darüber hinaus brauche es bei der Pflege auf jeden Fall eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
Wo KI tatsächlich überlegen ist
Titus Brinker vom Deutschen Krebsforschungszentrum wurde schließlich konkret, was das Thema KI in der Medizin betrifft. Der Dermatoonkologe hat bereits mehr als zehn Gesundheitsapps mit insgesamt über einer Million Anwender*innen entwickelt und erläuterte, dass KI aktuell insbesondere überall dort im Gesundheitswesen unterstützen könne, wo es um Bildgebung ginge – wie in der Radiologie oder der Dermatologie.
Im Vergleich mit „echten“ Mediziner*innen hätten Computerprogramme deutliche Vorteile. Obsolet werde menschliches Fachpersonal dadurch aber nicht, so Brinker.
Künstliche Intelligenz werde jedoch ein wichtiger Partner im Ärzt*innen-Team sein.
Abschließend brachte es Michael Heinisch auf den Punkt: Künstliche Intelligenz sei kein Allheilmittel für das Gesundheitswesen der Zukunft, so der Geschäftsführer der Vinzenz Gruppe. Aber sie ist ein wichtiger Mosaikstein.
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Quellen:
¹ The role of artificial intelligence in healthcare: a structured literature review (Secinaro, S., Calandra, D., Secinaro, A. et al. in BMC Med Inform Decis Mak 21, 125; 2021). DOI: https://doi.org/10.1186/s12911-021-01488-9
² Artificial Intelligence and the Healthcare Industry (Database)
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