Wirksame Maßnahmen gegen gefährliche Krankenhauskeime

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Krankenhaus-Infektionen generell und postoperative Wundinfektionen im Besonderen haben nicht nur problematische medizinische Konsequenzen, sondern verursachen auch erhebliche Kosten. Zunehmend wird daher in vielen europäischen Ländern auf Infektionsprophylaxe gesetzt, berichtet die Initiative „Sicherheit im OP“ aus Anlass des heute in Kopenhagen zu Ende gehenden Europäischen Infektionskongresses ECCMID 2015, der mehr als 10.000 Infektionsexperten zusammenführte.

80 prozentiger Rückgang von SSI durch Maßnahmenpaket

Durch die Einführung gezielter Prophylaxe-Maßnahmen gegen postoperative Wundinfektionen (surgical site infections, SSI) ließ sich die Infektionshäufigkeit nach dem Einsetzen eines künstlichen Kniegelenks an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) zwischen 2007 und 2012 um 80 Prozent reduzieren. Das zeigt eine beim ECCMID präsentierte Auswertung der Daten von 3.553 Patienten.

2007 wurde an der MHH ein Überwachungsprogramm für SSI eingeführt, 2010 ein Paket von Prophylaxe-Maßnahmen implementiert, das unter anderem Hautdesinfektion im Operationsareal, Händehygiene, Antibiotikaprophylaxe oder den für die Verankerung der Prothese verwendeten Zement betrifft.

Risikofaktoren zum Teil beeinflussbar

In der in Kopenhagen präsentierten Analyse identifizierten die Wissenschaftler aus Hannover auch eine Reihe von Faktoren, die bei Knieprothesen-Operationen mit einem erhöhten SSI-Risiko assoziiert sind. Dazu gehören unter anderem Nachblutungen, eine gestörte Wundheilung, eine OP-Dauer von mehr als drei Stunden, eine blutverdünnende Therapie, ein Body-Mass-Index (BMI) von 40 oder mehr, Hauterkrankungen oder Rauchen. Männer waren häufiger von SSI betroffen als Frauen.

In einer weiteren Studie wurden die Daten von 189 Patienten nach radikaler Zystektomie (Harnblasenentfernung) analysiert. In dieser Untersuchung erwiesen sich ein Alter über 69 Jahre, ein präoperativer Spitalsaufenthalt von mehr als einem Tag, COPD, Diabetes, ein BMI von 25 und mehr, eine präoperative Harnwegsinfektion, ein präoperativer Harnwegskatheter oder Niereninsuffizienz als relevante Risikofaktoren für eine tiefe Wundinfektion. Behandler sollten bei urologischen Eingriffen besonderes Augenmerk auf vermeidbare SSI-Risikofaktoren legen, betonten die Autoren der Studie.

Datenbank soll Transparenz schaffen

Eine Reihe von Präsentationen auf dem ECCMID setzte sich mit Maßnahmen auseinander, mit denen gesundheitspolitische Entscheider auf das Problem von Krankenhausinfektionen reagieren. So stellten etwa Experten vom Staten Serum Institut in Kopenhagen die neue „Hospital Acquired Infections Database“ (HAIBA) vor, die in Dänemark im Jänner 2015 online gegangen ist.

„HAIBA wurde mit dem Ziel entwickelt, automatisch, kontinuierlich und zeitnah Überwachungsdaten aus bestehenden Quellen zu liefern“, berichteten Sophie Gubbels und ihre Kollegen. „HAIBA soll ein praktisches Tool zur Infektionskontrolle für Mikrobiologen, Hygienefachkräfte und Ärzte werden, aber auch für regionale und nationale Politiker und für alle Bürger Transparenz über das Auftreten von Krankenhausinfektionen schaffen.“

Politisches Ziel: 50 Prozent weniger Krankenhausinfektionen

Eine andere Maßnahme hat sich in der dänischen Hauptstadt bereits als nützlich erwiesen, wie Experten vom Rigshospitalet Kopenhagen berichteten. 2010 hatte die Region Kopenhagen das politische Ziel formuliert, die Zahl von Krankenhaus-assoziierten Infektionen um 50 Prozent zu reduzieren.

Zu diesem Zweck wurde unter anderem eine regionale interdisziplinäre Task Force eingerichtet. Diese habe sich als „sehr sinnvoll für den Wissensaustausch und die Entwicklung von Verbesserungsmaßnahmen“ erwiesen, berichteten die Experten.

20. Mai: Round Table zu Konsequenzen und Kosten nosokomialer Infektionen

3,2 Millionen Menschen in Europa erkranken pro Jahr laut European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) an nosokomialen Infektionen, rund 37.000 sterben daran. Krankenhaus-Infektionen führen zu einem relativen Anstieg der Mortalität um bis zu 50 Prozent, zu einer erhöhten Morbidität sowie zu einer verlängerten Einschränkung der Leistungsfähigkeit. Sie verlängern den Krankenhausaufenthalt, erfordern mehr Diagnostik- und Behandlungsaufwand und werfen Haftungsprobleme auf.

Ob und wie Prophylaxe-Empfehlungen in Österreich konsequent umgesetzt werden, welche Daten über Kosten und Konsequenzen von nosokomialen Infektionen und über
den Nutzen von Prävention verfügbar sind, wie sich eine Infektion auf die Erlöse eines Krankenhauses auswirkt und welche rechtlichen Konsequenzen im Infektionsfall drohen: Darüber diskutieren Experten bei einem von der Initiative „Sicherheit im OP“ gemeinsam mit der „Plattform Patientensicherheit“ veranstalteten Round Table am

Mittwoch, dem 20. Mai 2015, um 17:00 in der „Kapelle“ des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin (Spitalgasse 2-4, Hof 2.8, Campus, Altes AKH, 1090 Wien.

Quelle:

Wolters et al. Risk factors for deep surgical site infections after open radical cystectomie: analysis of 189 patients. ECCMID 2015 Abstract EV0623;
Ott. Prevention and predictors of surgical site infection following total knee arthroplasty. ECCMID 2015 Abstract EP101;
Gubbels et al. The Danish hospital-acquired infection database: new opportunities for continuous surveillance and timely infection control measures in Denmark. ECCMID 2015 Abstract P0820;
Lundgren et al. Task force for reducing hospital-acquired infections, indicators and quality improvement. ECCMID 2015 Abstract P0823

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