Mikroplastik stellt ein Gesundheitsrisiko dar, da es in den Körper gelangen und sich in verschiedenen Organen ansammeln kann. Wie die winzigen Teilchen es schaffen, die Blut-Hirn-Schranke zu durchqueren, ist nun erforscht worden.
Als eines der größten Umweltprobleme der Gegenwart gelangen Mikro- und Nanoplastikpartikel (MNP) unter anderem über die Nahrung in den Körper.
Die Abkürzung MNP steht in diesem Zusammenhang für „Micro and Nano Plastics“ (Mikro- und Nanoplastik), d.h. winzige Kunststoffpartikel, die in der Umwelt und insbesondere in Gewässern weit verbreitet sind. Diese Partikel können aus verschiedenen Quellen stammen, wie z.B. aus der Zersetzung von größeren Kunststoffabfällen oder aus Produkten wie Kosmetika und Reinigungsmitteln.
Wie diese winzigen Teilchen es schaffen, die Blut-Hirn-Schranke zu durchqueren und folglich auch ins Gehirn vorzudringen, wurde nun in einer Forschungsarbeit der MedUni Wien erstmals gezeigt.
Der neu entdeckte Mechanismus stellt die Grundlage für weitere Forschungen zum Schutz von Mensch und Umwelt dar. Die Studienergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal „nanomaterials“ publiziert.
Nachweis von Nanoplastikpartikel im Gehirn
Die Studie der MedUni Wien, hat gezeigt, dass winzige Polystyrol-Teilchen im Gehirn von Tieren nachgewiesen wurden, nachdem sie oral aufgenommen wurden.
Die Studie wurde im Tiermodell unter oralen Gaben von Mikro- und Nanoplastikpartikeln aus Polystyrol durchgeführt, einem weit verbreiteten Kunststoff, der z. B. in Lebensmittelverpackungen verwendet wird.
In Vivo Experiment: In der Studie führte das Forscherteam Kurzzeitaufnahmestudien mit oral verabreichten Polystyrol-Mikro-/Nanopartikeln (9,55 µm, 1,14 µm, 0,293 µm) an Mäusen durch.
Hinweis: „In vivo“ bezieht sich auf Experimente, die in lebenden Organismen durchgeführt werden, im Gegensatz zu „in vitro“ Experimenten, die in einem Labor außerhalb eines lebenden Organismus durchgeführt werden. In der Regel werden in vivo Experimente an Tieren oder menschlichen Probanden durchgeführt, um die Auswirkungen von Interventionen (wie Medikamenten, Chemikalien oder Krankheiten) auf den gesamten Organismus zu untersuchen.
Im Zusammenhang mit der Erforschung der Auswirkungen von Mikro- und Nanoplastikpartikeln auf die Gesundheit von Tieren und Menschen könnten in vivo Experimente beispielsweise darin bestehen, Tiere mit einer bestimmten Dosis von Mikro- oder Nanoplastikpartikeln zu füttern und dann ihre Gesundheit zu untersuchen, einschließlich möglicher Auswirkungen auf das Gehirn. In vivo Experimente können wichtige Erkenntnisse darüber liefern, wie Mikro- und Nanoplastikpartikel den gesamten Organismus beeinflussen können und sind daher für die Erforschung ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit von Tieren und Menschen von Bedeutung.
Im Experiment zeigte sich, dass nanometergroße Partikel – aber keine größeren Partikel – das Gehirn innerhalb von nur 2 Stunden nach der Magensonde erreichen.
Obwohl es sich um eine Studie an Säugetieren handelt, legt sie nahe, dass es möglich ist, dass Mikroplastikpartikel das Gehirn erreichen können.
Dabei stellte das Forschungsteam um Lukas Kenner (Klinisches Institut für Pathologie der MedUni Wien, Abteilung für Labortierpathologie der Vetmeduni) fest, dass winzige Polystyrol-Teilchen bereits zwei Stunden nach der Aufnahme im Gehirn nachzuweisen sind. Der Mechanismus, der die Überwindung der Blut-Hirn-Schranke möglich macht, war in der medizinischen Wissenschaft bisher nicht bekannt.
Mit Hilfe von Computermodellen entdeckten die Forscher:innen nun, dass eine bestimmte Oberflächenstruktur (biomolekulare Korona) für die Passage der Plastikpartikel ins Gehirn entscheidend ist.
Gesundheitliche Auswirkungen erforschen
Die Blut-Hirn-Schranke ist eine wichtige zelluläre Barriere, die das Gehirn vor dem Eindringen von Krankheitserregern oder Giften schützt.
Über einen ähnlichen Schutzwall verfügt auch der Darm (intestinale Barriere), den MNP gemäß wissenschaftlicher Untersuchungen ebenfalls überwinden können. Zu den gesundheitlichen Auswirkungen der Plastikteilchen im Körper wird intensiv geforscht. So wurde MNP im Magen-Darm-Trakt bereits mit lokalen Entzündungs- und Immunreaktionen sowie mit der Entstehung von Krebs in Verbindung gebracht.
„Im Gehirn könnten Plastikpartikel das Risiko von Entzündungen, neurologischen Störungen oder sogar neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson erhöhen“, sagt Lukas Kenner und betont, dass in diesem Bereich weitere Forschung erforderlich ist.
Bewusstsein scahffen: Verwendung von MNP einschränken
Nanoplastik wird mit einer Größe von unter 0,001 Millimeter definiert, Mikroplastik ist mit 0,001 bis 5 Millimeter teilweise noch mit freiem Auge sichtbar. In die Nahrungskette gelangen MNP u. a. aus Verpackungsabfall. Dabei spielt nicht nur die feste, sondern auch die flüssige Nahrung eine Rolle: Wer die empfohlenen 1,5 bis zwei Liter Wasser pro Tag aus Plastikflaschen trinkt, nimmt einer Studie zufolge allein auf diese Weise rund 90.000 Plastikpartikel pro Jahr zu sich.
Wer jedoch zu Leitungswasser greift, kann – je nach geografischer Lage – die aufgenommene Menge auf 40.000 reduzieren. „Um die potenziellen Schäden von Mikro- und Nanoplastikpartikeln für Mensch und Umwelt zu minimieren, ist es von entscheidender Bedeutung, die Exposition zu begrenzen und ihre Verwendung einzuschränken, während die Auswirkungen von MNP weiter erforscht werden“, betont Lukas Kenner. Der nun entdeckte Mechanismus von MNP beim Überwinden von Schutzbarrieren im Körper kann diese Forschung entscheidend vorantreiben.
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Quelle:
¹ Micro- and Nanoplastics Breach the Blood–Brain Barrier (BBB): Biomolecular Corona’s Role Revealed (Verena Kopatz, Kevin Wen, Tibor Kovács, Alison S. Keimowitz, Verena Pichler, Joachim Widder,
Dick Vethaak, Oldamur Hollóczki, Lukas Kenner inn Nanomaterials 13, no. 8: 1404.) doi: 10.3390/nano13081404
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