Seit Jahren wird in Österreichs Politik darüber diskutiert, passiert ist aber bisher wenig bei den Reformvorhaben der Regierung. Nun wurden die Eckpunkte der milliardenschweren Pflegereform präsentiert.
Der Zustand des aktuellen Pflegebereichs in Österreich gilt als dramatisch: Personal und Geld fehlen, Pflegeberufe sind nicht nur wegen des hohen Stresslevels, sondern auch wegen der nichtadequaten Entlohnung wenig attraktiv, doch der Bedarf steigt stetig an. Die Pandemie verschärfte die Lage noch zusätzlich, doch an den Arbeitsbedingungen änderte sich bisher wenig.
Seit Jahrzehnten arbeiteten Regierungen deswegen an einer Pflegereform, bis jetzt allerdings ohne abschließendes Ergebnis. Nun hat die österreichische Regierung ein Maßnahmenpaket für den Pflegebereich vorgestellt. Demnach werde der Bereich in den kommenden zwei Jahren mit einer Milliarde Euro unterstützt, teilte Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) mit.
Angemessene Entlohnung, zeitliche Entlastung und Verbesserungen in der Ausbildung für Pflegeberufe
Basis der Reformvorhaben und auch finanziell wohl der größte Brocken ist eine Gehaltserhöhung für die angestellten Beschäftigten im Pflegesektor in Form eines Gehaltsbonus.
Dafür stellt der Bund in den beiden Folgejahren 2022 und 2023 insgesamt 520 Millionen Euro zur Verfügung. Pro Beschäftigten – betroffen sind Diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger, Pflegeassistenten und Pflegefachassistenten – soll das in etwa einem zusätzlichen Monatsgehalt entsprechen.
Außerdem ist eine sogenannte „Entlastungswoche“ geplant, auf die beim Bund oder bei privaten Einrichtungen beschäftigte Pflegekräfte ab ihrem 43. Geburtstag Anspruch haben sollen – und zwar unabhängig davon, wie lange sie schon im Betrieb beschäftigt sind.
Auch die Kompetenzen von Pflege- und Pflegefachassistenz werden erweitert, so dürfen Beschäftigte in diesem Bereich künftig beispielsweise Infusionen anschließen und Spritzen verabreichen.
Im Bereich der Ausbildung wurde zudem ein Ausbildungszuschuss und die Einführung einer Pflegelehre als Modellversuch angekündigt.
Verbesserungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige inklusive 24h Betreuung
Für Pflegebedürftuige und deren Angehörige wurden ebenfalls weitreichende Maßnahmen angekündigt.
So soll der Rechtsanspruch auf Pflegekarenz von einem auf drei Monate erhöht werden und ein Angehörigenbonus von 1.500 Euro jährlich für jene Familienmitglieder eingeführt werden, die den größten Teil der Pflege zu Hause leisten und selbst oder weiterversichert sind.
Von dieser Maßnahme könnten nach Schätzungen des Gesundheitsministeriums etwa 30.000 Personen profitieren. Zur Relation: in Österreich gibt es cirka eine Million pflegende Angehörige.
Alle genannten Maßnahmen sind vorerst bis zum Ende der Gesetzgebungsperiode – also auf zwei Jahre – befristet.
Zustimmung von Interessensvertretungen und Hilfsorganisationen
Sowohl seitens der Gewerkschaft, als auch von betroffenen Hilfsorganisationen waren die ersten Reaktionen auf das Paket durchwegs positiv, auch wenn zumeist weitere Schritte gefordert werden.
Als „erfreulichen Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnet Rot-Kreuz-Generalsekretär Michael Opriesnig die verkündeten Pläne für ein umfassendes Pflegepaket.
Vor allem die Pläne zur Aus- und Weiterbildung und die Attraktivierung der Pflegeberufe seien Meilensteine. Manches bliebe noch offen, wie die Zielsteuerung und eine umfassende Reform des Pflegegelds.
Die angekündigte „Pflegemilliarde“ für zwei Jahre wird vom Roten Kreuz ausdrücklich begrüßt.
Auch herrscht große Freude über die „Entlastungswoche“, also die 6. Urlaubwoche ab dem 43. Lebensjahr, unabhängig von Dienstgeber und Vordienstzeiten. Das sei sehr wichtig im Sinne einer bundesweiten Vereinheitlichung der Regelungen.
„Unsere Systemerhalter:innen brauchen dringend Entlastung und Erholung, gerade jetzt nach der sehr fordernden Zeit der Pandemie. Allerdings gilt diese Regelung laut den Plänen nur für Pflegepersonen, hier ist noch zu klären, was mit den Sozialbetreuungsberufen ist“, so Opriesnig.
Ebenfalls begrüßt werden vom Roten Kreuz die geplanten Kompetenzerweiterungen im Bereich der Pflegeassitenz.
Auch Diakonie und Caritas sprechen von einem ersten Meilenstein.
Die Diakonie sagt aber dazu: „Auch für Pflegekräfte in den Krankenhäusern und in der Betreuung von Menschen mit Behinderungen braucht es dringend Verbesserungen.“
Das Hilfswerk bewertet die vorgestellten Maßnahmen ebenfalls positiv, merkt aber an: Wichtig sein nun „neben der Sicherstellung einer nachhaltigen Finanzierung über die genannten zwei Jahre hinaus vor allem eine gesamthaft gedachte Weiterentwicklung der Versorgungslandschaft in Österreich“.
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Quellen:
¹ Österreichisches Rotes Kreuz
² APA
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