Es ist nicht weniger als ein echter Durchbruch in der Alzheimerforschung: der Antikörper (Wirkstoff: Donanemab) kann Proteinablagerungen im Gehirn, die sogenannten Amyloid-Plaques, entfernen und damit gegen Alzheimer wirken.
Die Alzheimer-Krankheit (AD) ist eine neurodegenerative Erkrankung, die durch einen schrittweisen Verlust von Nervenzellen im Gehirn und kognitive Beeinträchtigungen gekennzeichnet ist.
Die Bildung von Amyloid-Plaques im Gehirn ist eines der charakteristischen Merkmale der Alzheimer-Krankheit.
Welche Rolle spielen Amyloid-Plaques im Gehirn bei Alzheimer?
Beta-Amyloid-Plaques sind schädliche Proteinverklumpungen und spielen eine zentrale Rolle bei der Alzheimer-Krankheit, da sie Nervenzellen bei betroffenen zerstören.
Amyloid-Plaques bestehen hauptsächlich aus abnormen Ablagerungen von Beta-Amyloid-Proteinen, die sich außerhalb von Nervenzellen im Gehirn ansammeln.
Diese Ablagerungen können die Kommunikation zwischen den Nervenzellen stören und Entzündungen im Gehirn auslösen.
Es wird angenommen, dass die Akkumulation von Beta-Amyloid-Plaques zu neuronalen Schäden und dem allmählichen Verlust von kognitiven Fähigkeiten bei Alzheimer-Patienten beiträgt.
Derzeitige Forschungsbemühungen konzentrieren sich auf die Entwicklung von Therapien, die darauf abzielen, die Bildung von Amyloid-Plaques zu reduzieren oder sie aus dem Gehirn zu entfernen, um den Krankheitsverlauf zu verlangsamen oder zu stoppen.
Neueste Studien belegen nun, dass der Antikörper Wirkstoff Donanemab die Amyloid-Plaques im Gehirn nachweislich zum Verschwinden bringen, anstatt nur die Ablagerung neuer oder das Wachstum bestehender Plaques zu verhindern.
Eine bestimmte veränderte Form dieser Beta-Amyloid-Proteine namens N3-Pyroglutamat (N3pG) soll durch den Wirkstoff gebunden und damit verringert werden. N3pG gilt als wesentlicher Faktor für die schädlichen Proteinverklumpungen im Gehirn. Ziel ist es, den geistigen Abbau bei Alzheimer-Patienten im Frühstadium zu verzögern.
Antikörper gegen Alzheimer
Bei der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA Anträge auf Zulassung für zwei neue Medikamente, die den Gedächtnisverlust bekämpfen sollen. In den USA ist eines davon – Wirkstoff Lecanemab – bereits zugelassen.
Bei Donanemab (LY3002813) handelt es sich um einen neuen monoklonalen Antikörper, der sich ausschließlich gegen Aβ(p3-42) richtet. Nun steht dieser weitere Alzheimer-Wirkstoff ebenfalls kurz vor der Zulassung. (Stand: 11/2023)
Hinter dem Einsatz von Antikörpern steckt die Theorie von der Amyloid-Kaskade.
Die Amyloid-Kaskade-Theorie ist eine Hypothese, die einen Zusammenhang zwischen der Anhäufung von Beta-Amyloid-Plaques im Gehirn und der Entstehung von Alzheimer-Krankheit postuliert.
Diese Theorie geht davon aus, dass die Bildung von Amyloid-Plaques einen schädlichen Prozess in Gang setzt, der zu neuronalen Schäden, Entzündungen und letztendlich zum Verlust kognitiver Funktionen führt.
Grundannahme ist, dass eine abnorme Anhäufung von Beta-Amyloid-Proteinen einen dominoartigen Effekt auslöst, bei dem verschiedene pathologische Veränderungen im Gehirn auftreten.
Bei der Verwendung von Antikörpern zur Behandlung von Alzheimer besteht die Idee darin, dass diese Antikörper spezifisch auf Beta-Amyloid-Plaques abzielen und deren Bildung reduzieren oder die bestehenden Plaques entfernen können. Diese Antikörpertherapie soll die Amyloid-Kaskade unterbrechen und dadurch den Krankheitsverlauf verlangsamen oder stoppen.
Bisher gab es gemischte Ergebnisse in klinischen Studien, die die Wirksamkeit von Antikörpern gegen Beta-Amyloid untersuchten.
Einige Studien zeigten vielversprechende Ansätze, während andere keine signifikanten Verbesserungen zeigten.
Mit der Veröffentlichung der sogenannten Trailblazer-Alz 2 Studie (Phase III Studie mit 1.736 Teilnehmern mit frühsymptomatischer Alzheimer-Krankheit) hat sich die Situation grundlegend verändert.
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen eindeutig, dass Donanemab (Hersteller Eli Lilly) die schädlichen Amyloid-Ablagerungen effektiv abbaut und den geistigen Abbau der Patientinnen und Patienten um 35 Prozent verlangsamt.
Dies wird von Experten als sehr ermutigendes Ergebnis betrachtet, stoppen oder sogar heilen kann auch dieses Medikament Alzheimer nicht.
Zudem warnen sie auch vor den Nebenwirkungen von Donanemab, die im Gegensatz zu anderen Antikörper-Medikamenten relativ stark sind.
Experten-Interview: Wird Alzheimer jetzt heilbar?
Im Gespräch mit Prof. Dr. Dorothee Saur, Neurologin am Universitätsklinikum Leipzig, wird erörtert, was die neuen Antikörper Wirkstoffe für die Alzheimer-Behandlung bedeuten.
Frage: Was bedeuten die Studienergebnisse der Trailblazer-Alz 2 Studie mit dem Wirkstoff Donanemab für die Alzheimer-Behandlung?
Prof. Saur: Das ist ein echter Meilenstein, darauf haben wir lange gewartet. Bisher haben wir keine wirksamen Therapien, um den bei einer Demenz einsetzenden Prozess des Abbaus kognitiver Fähigkeiten zu beeinflussen. Die jetzt vor der Zulassung stehenden zwei Therapien setzen genau da an – sie bremsen den Verlust an Gehirn- und Gedächtnisleistung.
Frage: Wie geschieht das?
Das geschieht, indem die verabreichten Antikörper das Immunsystem so stimulieren, dass dieses die vorhandenen Amyloid-Ablagerung im Gehirn, die Plaques, angreift und entsorgt. Das lässt sich mit speziellen PET-Gehirnscans gut nachvollziehen – vorhandene Ablagerungen verschwinden nahezu vollständig. Allerdings wird dadurch bisher das Fortschreiten der Erkrankung noch nicht gestoppt, nur deutlich verlangsamt. Für die Betroffenen macht das aber einen großen Unterschied: Das könnte weitere Lebensjahre mit geringeren Einschränkungen bedeuten.
Frage: Gilt das für alle Alzheimer-Betroffene, oder gibt es Einschränkungen?
Prof. Saur: Es eröffnet uns vor allem bei Menschen mit einem sehr frühen Stadium der Demenz ganz neue Möglichkeiten. Wir können dank moderner Methoden zur Diagnostik inzwischen sehr genau erkennen, ob eine frühe Form der Alzheimererkrankung vorliegt. Die Betroffenen merken da noch nicht viel von der Krankheit im Alltag, haben vielleicht ganz leichte kognitive Störungen, die aber nicht weiter ins Gewicht fallen. Wir sehen aber mittels PET-Scans oder der Nervenwasserdiagnostik schon, dass hier der Erkrankungsprozess bereits eingesetzt hat.
Mit den neuen Mitteln können wir in dieser Phase die Behandlung beginnen und das Voranschreiten um bis zu 30 Prozent verlangsamen. Das ist ein echter Vorteil für die Patienten, deren ja noch überwiegend intakte Hirnfunktionen sich damit möglicherweise nicht so schnell verschlechtern. Für diese Gruppe wäre daher der Effekt am größten, sodass wir davon ausgehen, dass die Therapien für Frühverläufe zugelassen werden, auch wenn die Zulassungskriterien derzeit noch offen sind.
Frage: Wann rechnen Sie damit, dass die Therapien in der Klinik ankommen?
Prof. Saur: Wir rechnen in Deutschland im Frühsommer 2024 damit. Und dann brauchen wir die entsprechenden Voraussetzungen für die sehr aufwändigen Therapien: Die Bildgebung und Nervenwasseruntersuchung für die Frühdiagnostik und die Therapieplätze. Zum einen müssen die mehrstündigen Infusionen, um die es sich dabei handelt, regelmäßig im Abstand von zwei bis vier Wochen verabreicht werden. Wir sprechen dabei über eine Behandlung, die über mehrere Monate dauern wird, wobei die genaue Dauer noch gar nicht bekannt ist.
Frage: Worauf müssen sich Alzheimer-Patienten ihrer Meinung nach einstellen?
Die Patienten müssen in dieser Zeit gut betreut werden, mit regelmäßigen MRT-Untersuchungen zur Verlaufskontrolle, vor allem zu Beginn der Therapie.
Zwar gilt die Therapie grundsätzlich als gut verträglich, aber jeder reagiert individuell, und auch hier gibt es unerwünschte Reaktionen, die rechtzeitig erfasst und behandelt werden müssen.
Anmerkung (Red.): Art und Ausmaß möglicher Nebenwirkungen (genannt wurden von den Studienautoren etwa Hirnschwellungen und Mikrohirnblutungen) sind noch nicht hinlänglich erforscht, dämpfen aber eine übertriebene Euphorie und Wunschvorstellung in das potenziell neue Medikament. Diese genauen Angaben werden dann bei einer etwaigen Zulassung der Arzneimittelbehörden veröffentlicht und sind dann vollumfänglich zu bewerten.
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Quelle:
¹ Donanemab in Early Symptomatic Alzheimer Disease: The TRAILBLAZER-ALZ 2 Randomized Clinical Trial [JAMA;2023 Aug 8;330(6):512-527.
doi: 10.1001/jama.2023.13239.]
² Neuer Alzheimer-Wirkstoff Donanemab: Der aktuelle Stand (Alzheimer Forschung Initiative e.V.)
³ www.deutschesgesundheitsportal.de
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