Deutsche Studie liefert erste umfassende Ergebnisse zu Corona-Langzeitfolgen, inklusive Klassifikationssystem zur Einordnung der PCS-Symptome.
Zunehmend verdrängt der Begriff Post-Covid-Syndrom (PCS) die Bezeichnung Long-Covid, gemeint sind dabei die Langzeitfolgen, die zwölf Wochen nach Beginn einer Covid-19 Erkrankung bestehen bleiben.
Der Begriff Long COVID hingegen umfasst sowohl die anhaltende COVID-19-Erkrankung als auch das Post-COVID-Syndrom.
In jedem Fall liegen zu den Langzeitfolgen von Covid-19 mangels ausreichender Datenerhebung nur unzureichend Informationen vor. Über das Ausmaß der Betroffenen und die genaue Symptomatik ist bisher also noch vergleichsweise wenig bekannt.
Nun liefert eine Studie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, bei der 1.400 Personen nach einer überstandenen Infektion analysiert wurden, erste umfassende Ergebnisse zu Corona-Langzeitfolgen. Dafür wurde extra ein leicht einsetzbares Klassifikationssystem zur Einordnung der PCS-Symptome entwickelt.
Beschwerden von Long-COVID bzw. Post-COVID
Der Begriff Long COVID beschreibt kein einheitliches Krankheitsbild. Die anhaltende Symptome nach einer durchgemachten COVID-19-Erkrankung sind sehr vielfältig.
Long-COVID-Symptome können einzeln oder in Kombination auftreten und unterschiedlich lang anhalten. Sie können permanent vorhanden sein oder wellenartig auftreten – entsprechend schwierig ist es für Ärzte, die Symptome Long COVID zuzuordnen.

Zu den häufigsten Beschwerden bei Long COVID zählen:
- Fatigue (Müdigkeit, Erschöpfung und eingeschränkte Belastbarkeit): Bereits leichte körperliche oder geistige Tätigkeiten fallen sehr schwer. Der Schlaf ist nicht erholsam und verbessert die Fatigue nicht ausreichend. Dadurch wird das Arbeitsleben und auch das soziale Leben mitunter sehr stark eingeschränkt.
- Kurzatmigkeit, Atembeschwerden
- Post-Exertional Malaise (PEM): Die verminderte Leistungsfähigkeit verschlechtert sich oft nach schon geringer körperlicher oder geistiger Anstrengung. Dies wird als Post-Exertional Malaise bezeichnet. Die Verschlechterung kann direkt oder zeitverzögert – 24 bis 72 Stunden – nach der Belastung auftreten. Die Betroffenen fühlen sich wie krank. Dies kann Tage oder auch Wochen anhalten. Im schlimmsten Fall verschlechtert PEM den Zustand dauerhaft.
- Herzrasen, Herzstolpern, Herzflattern
- Muskelschwäche und -schmerzen
- anhaltende Geruchs- und Geschmacksstörungen
- Schlafstörungen
Post Covid: Neues Forschungsfeld
Begriffsentwirrung: unter dem Begriff Long COVID werden alle Symptome zusammengefasst, die mehr als vier Wochen nach dem Beginn einer COVID-19-Erkrankung fortbestehen oder neu auftreten.
Bei COVID-19 werden derzeit drei mögliche Verläufe unterschieden:
- akute COVID-19-Erkrankung: Symptome und Befunde von COVID-19 bis maximal vier Wochen nach Erkrankungsbeginn
- anhaltende COVID-19-Erkrankung: Klagen die Betroffenen auch nach mehr als vier Wochen, bis maximal 12 Wochen Krankheitsdauer noch über Beschwerden, sprechen Fachleute von einer anhaltenden COVID-19-Erkrankung bzw. einem Ongoing-COVID-Syndrom.
- Post-COVID-Syndrom: Bleiben zwölf Wochen nach Beginn der Erkrankung die Beschwerden einer COVID-19-Infektion bestehen oder entwickeln sich neue Symptome, die nicht anderweitig erklärt werden können, sprechen Ärztinnen und Ärzte vom Post-COVID-Syndrom.
Das Forschungsfeld um Long- bzw. Post-COVID ist noch sehr neu, sodass erst langsam auf Studien basierende belastbare Zahlen zur Verfügung stehen.
Bislang ist nicht genau bekannt, warum einige Menschen nach COVID-19 an PCS leiden und andere nicht. Auch ist nicht bekannt, warum zum Beispiel in einer Familie mit mehreren infizierten Mitgliedern die von PCS betroffenen Personen unterschiedliche Beschwerden haben.
Es ist nicht vollständig geklärt, welche Risikofaktoren es für Long COVID gibt. Faktoren wie das Alter, das Geschlecht, Übergewicht oder auch die Zahl der Symptome während einer akuten COVID-19-Erkrankung werden in der Medizin als mögliche Risikofaktoren diskutiert.
Sicher ist, dass Long COVID prinzipiell jede und jeden treffen kann: Sowohl junge, agile Personen, deren COVID-19-Erkrankung mild verlaufen ist, als auch Personen, die schwerer erkrankt waren.
Derzeit können aber keine verlässlichen Aussagen darüber getroffen werden, welcher Personenkreis besonders gefährdet ist, Long COVID zu entwickeln. Deshalb ist für die Wissenschaft die Entwicklung von zuverlässigen Progniosetools auch von zentralem Interesse.
COVIDOM-Studie zu Langzeitfolgen von Covid-19
Auch nach einer überstandenen Covid-19-Erkrankung können manche Symptome fortbestehen. Wie viele Menschen davon betroffen sind und welche Faktoren zu einem solchen „Post-Covid-Syndrom“ (PCS) beitragen, hat ein Team um Prof. Dr. Thomas Bahmer, Internist und Pneumologe der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, untersucht.
Diese ersten Ergebnisse der COVIDOM-Studie, an der auch das Universitätsklinikum Würzburg und die Charité Universitätsmedizin in Berlin beteiligt sind, wurden in der Fachzeitschrift eClinicalMedicine publiziert, die Teil der LANCET Discovery Series ist.
Für die Auswertung der COVIDOM-Studie haben Prof. Bahmer und sein Team 1.400 Personen nach einer überstandenen Infektion analysiert. Mithilfe eines neuen Klassifikationssystems, des sogenannten PCS-Scores, konnte das Vorliegen sowie der Schweregrad eines PCS erfasst und damit das vielfältige und komplexe Langzeitgeschehen nach einer Corona-Infektion erstmals in ein einheitliches Schema eingeordnet werden. „Dieser neue Score kann objektiv zwischen unterschiedlichen Schweregraden der PCS-Beschwerden unterscheiden“, sagt Prof. Bahmer.
Der PCS-Score beruht auf zwölf Fragen, die auf unterschiedliche Symptombereiche abzielen. Die Fragen wurden den Probandinnen und Probanden nach der Akutphase ihrer Infektion gestellt, um möglichst alle Aspekte eines vermuteten PCS zu erfassen.
„Die Einfachheit der Berechnung des PCS-Scores erlaubt es uns, ihn unmittelbar in die routinemäßige Nachversorgung von Corona-Infizierten zu integrieren. Mit dem PCS-Score kann die Notwendigkeit einer fachärztlichen Weiterbehandlung abgeschätzt und die Behandlung auf einen möglichst objektiven Befund gestützt werden“, sagt Prof. Dr. Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Innere Medizin I, Campus Kiel.
Eine schnelle und objektive Einordnung des klinischen Geschehens mit Hilfe des PCS-Scores könnte hier zumindest teilweise Abhilfe leisten, so die Autoren.
Beim überwiegenden Teil der Probandinnen und Probanden der COVIDOM-Studie war die akute Covid-19-Erkrankung leicht bis moderat verlaufen. Weniger als 10 Prozent mussten im Krankenhaus behandelt werden.
Dennoch berichtete etwa die Hälfte der untersuchten Personen über Beschwerden, die nach der akuten Erkrankungsphase dauerhaft anhielten. Je nach Studienstandort bezeichneten sich nur 15 bis 30 Prozent der Personen neun Monate nach der Infektion als gesundheitlich vollständig unbeeinträchtigt.
Beim Rest bleibt jedoch offen, ob ihre Corona-Infektion tatsächlich ursächlich für die immer noch wahrgenommenen Symptome war. Ein klinisch relevantes PCS konnte anhand des Scores bei 10 bis 20 Prozent der Probandinnen und Probanden festgestellt werden.
Auch zwei starke Risikofaktoren für ein PCS wurden in der COVIDOM-Studie identifiziert. „Wie erwartet erhöhten schwere Erkrankungssymptome in der Akutphase das Risiko für ein Post-Covid-Syndrom. Überraschend war jedoch, dass auch eine geringe psychosoziale Belastbarkeit und niedrige Resilienz zu einem PCS führen können“, sagt Prof. Bahmer.
So seien insbesondere Menschen gefährdet, die ihre Widerstandsfähigkeit gegen Krisen als gering einschätzen und daher mit dieser neuartigen Viruserkrankung möglicherweise schlecht zurechtkamen.
Derzeit werden die Probandinnen und Probanden der COVIDOM-Studie ca. zwölf Monate nach ihrem ersten Besuch in den Studienzentren ein zweites Mal befragt. Dabei soll geklärt werden, ob diejenigen, die nach neun Monaten einen hohen PCS-Score hatten, weiterhin unter Beschwerden leiden und welche Faktoren eventuell zum Verschwinden oder zur Besserung der Symptome beitrugen.
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Quelle:
¹ Severity, predictors and clinical correlates of post-COVID syndrome (PCS) in Germany: A prospective, multicentre, population-based cohort study (Bahmer T, Borzikowsky C, et al. in The Lancet 2022 Sept.) https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2022.101549
² Leitlinie “Long-/Post-COVID-Syndrom“ für Betroffene, Angehörige, nahestehende und pflegende Personen (AWMF online; PDF)
³ Deutsches Gesundheitsportal / HealthCom
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