Die Autoren sprechen von einem Durchbruch in der Grundlagenforschung – Dr. Dagmar Krüger vom Lehrstuhl für Humanbiologie der TU München hat über einen Zeitraum von acht Jahren mehr als 2200 Proben von rund 450 Patienten mit Darmerkrankungen untersucht. Bei dieser ersten wirklich umfangreichen Studie über die Sekretionsaktivität des Humandarms kam Verblüffendes zutage: Der menschliche Darm ist keineswegs eingeschränkt, sobald er „älter“ ist wie viele Stammtischanekdoten behaupten. Genauso wenig spielt das Geschlecht eine Rolle.
Begriffsklärung
Als Sekretion bezeichnet man die Abgabe von für den Organismus wichtigen Substanzen (beispielsweise Hormone oder Verdauungsenzyme) durch spezialisierte Zellen, vor allem Drüsenzellen. Die abgegebenen Substanzen selbst nennt man Sekrete.
Die Sekretion im Magen-Darm-Trakt hat zwei verschiedene Aufgaben und Funktionen:
1. Sekretion der Verdauungssäfte:
Speichel, Magensaft, Pankreassaft, Galle
2. Sekretion von Hormonen und Neurotransmitter zur Steuerung der Verdauung
z.B. die Hormone: Gastrin, Sekretin, Histamin, und Cholecystokinin (CCK) und die Neurotransmitter: Acetylcholin und Noradrenalin
Welche Wirkung die Hormone und Neurotransmitter haben, hängt davon ab, in welcher Phase der Verdauung und in welchem Abschnitt des Magen-Darm-Trakts sie ausgeschüttet werden.
Studie zeigt: Der Darm ist leistungsfähig bis ins hohe Alter
Die Studie des Teams rund um Dr. Dagmar Krüger und Professor Michael Schemann vom Lehrstuhl für Humanbiologie der Technischen Universität München (TUM) ist im Journal of Physiology veröffentlicht worden. Eine Fragestellung neben der nach Alter- oder Geschlechtsabhängigkeit war: Spielt eine Grunderkrankung wie Darmkrebs oder Morbus Crohn eine Rolle bei der Untersuchung von Darmproben? Oder ist der Darmabschnitt womöglich ein ausschlaggebender Faktor?
„Ich konnte anhand der vielen untersuchten Darmproben (Darmresektate) in vitro an den Vitalitätsparametern nachweisen, dass die Darmschleimhautfunktion uneingeschränkt ist, egal ob es ein Resektat vom Dünn- oder Dickdarm war oder welche Erkrankung dem chirurgischen Eingriff zugrunde lag “, sagt TUM-Wissenschaftlerin Krüger – „die Sekretion von Ionen und Wasser ins Darmlumen (Hohlraum des Darms), selbst die durch Nerven hervorgerufene, blieb in allen Fällen unverändert.“
Untersuchungen an Humanmaterial sind aussagekräftiger
Nicht erkrankte Teile von Darmresektaten kommen daher durchaus für Untersuchungen infrage – es müssen keine Tiermodelle eingesetzt werden. „Das ist natürlich viel aussagekräftiger, wenn ich Humandarmresektate untersuche. Ich kann damit beispielsweise feststellen, ob und wie ein Medikament gegen Darmträgheit wirkt“, erklärt Dr. Krüger weiter – „mit unserer Studie haben wir die Machbarkeit von Untersuchungen an Darmproben belegt.“
Seit dem 19. Jahrhundert, schreibt Wallace MacNaughton vom Journal of Physiology in einem extra Begleitartikel zu Krügers Arbeit, sei am gastrointestonalen Epithel und seinem Wasser- sowie Elektrolyttransport geforscht worden. Das Epithel ist nichts anderes als die Darmschleimhaut. Die bahnbrechendsten Forschungsergebnisse stammten aus den 70er- und 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, die von Tieruntersuchungen wie Mäusen, Ratten oder meistens Meerschweinchen herrühren. MacNaughton schlussfolgert nach dem Studienergebnis von Krüger et al., dass moderne Untersuchungen an transgenen Mausmodellen oder Organoiden immer noch einer Überprüfung bedürfen an menschlichen Gewebeproben. Die Studie liefere nun das entscheidende Puzzleteil, um das umzusetzen.
Patienten mit Störungen der Sekretionsleistung im Darm kommt Studie zugute
Zwischen fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung leiden zum Beispiel an Obstipation: „Mit das größte Problem des Gastroenterologen sind junge Frauen mit Verstopfung“, sagt Krüger – „für sie kann nun besser nachvollzogen und eingestuft werden wie ein Mittel im Humandarm wirkt beziehungsweise wirken sollte.“ Somit erhält die Pharmabranche aufschlussreiche und möglicherweise neue Hinweise auf die Wirkung ihrer Medikamente und kann bessere entwickeln.
Ärzte wiederum können künftig patientenbezogener Medizin verschreiben: „In Zukunft kann gezielter untersucht werden, ob Darmträgheit eine Folge gestörter Epithelfunktion oder Darmmotilität ist“, erklärt Dagmar Krüger – „dafür können wir inzwischen sogar Untersuchungen an Darmbiopsien vornehmen.“
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Quelle:
¹ Dagmar Krueger, Klaus Michel, Florian Zeller, Ihsan E. Demir, Gueralp O. Ceyhan, Julia Slotta-Huspenina and Michael Schemann: Neural influences on human intestinal epithelium in vitro, 2016; The Journal of Physiology
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